Im Fluss seien

Fluss Aare (960x1280)
Die Aare im Berner Oberland

Wir sind die Zeit. Wir sind die berühmte

Gleichung von Heraklit dem dunklen Denker.

Wir gleichen dem Wasser, nicht dem harten Diamant

Sind was sich verliert, nicht das was bleibt.

Wir sind dieser Fluss und wir sind dieser Grieche,

der sich darin betrachtet. Sein Spiegelbild

wandelt sich im Wasser, dem wechselhaften Spiegel,

diesem Kristall der sich wandelt wie das Feuer.

Wir sind der leichtfertig angelegte Fluss

auf dem Weg zu seinem Meer. Dunkelheit hat uns umringt.

Alles sagt Lebewohl, alles entschwindet.

Die Erinnerung prägt keine Münzen.

Aber es gibt gleichwohl etwas, das bleibt

Aber es gibt gleichwohl etwas, das klagt

mit deutschen Wörtern nachvollzogen von Robert Seidemann 

Flüssen gleich

06042014
Wesertal im Frühling

Wir sind die Zeit Sind die berühmte

Parabel von Heraklit dem Obskuren.

Wir sind wie das Wasser, nicht wie der harte Diamant

Das was sich verflüchtigt, nicht das was bleibt.

Wir sind dieser Fluss und sind wie jener Grieche,

der sich im Fluss betrachtet. Sein Abbild

verändert sich im Wasser wie in einem wechselhaften Spiegel

in diesem Kristall der altes verändert wie das Feuer.

Wir sind der vorbestimmte Fluss.

mit Kurs auf sein Meer. Schatten hat ihn verfinstert

Überall Abschied, alles vergeht.

Die Erinnerung prägt keine Münzen.

Aber trotzdem gibt es etwas, das bleibt

Aber trotzdem gibt es etwas, das klagt

Curt Meyer Claasen, Mitte des letzten Jhd.

Rezeption

Baumfarne
Baumfarne in der Karibik: Guadeloupe

Dies war der erste Roman aus dem südamerikanischen Raum, den ich 1987 zum ersten Mal auf Deutsch gelesen habe. Marcel Reich-Ranicky hatte beim Literarischen Quartett von diesen Kolumbianer und seinem nobelpreisgekrönten Meisterwerk geschwärmt und ich wollte wissen, was an der Begeisterung so dran sein könnte. Bei der ersten Lektüre war ich wie benommen von der überschäumenden Phantasie und durch zahlreiche Vor- und Rückgriffe geprägten Erzählweise des Autors. Inzwischen der spanischen Sprache kundig, habe ich das Buch nach 25 Jahren erneut im Original bzw. parallel in beiden Sprachen gelesen. Hier einige Gedanken zum Werk, zur deutschen Übersetzung, den Personen, dem Ort Macondo und was für mich das Besondere an diesem Buch ist.

Los antepasados y la primera generación

Ursprung der Familie Buendía ist Aureliano, der Urgroßvater der mit la quemada verheiratet ist, die sich vor Schreck den Achtersteven verbrannt hat, als Francis Drake mal wieder die Hafeneinfahrt von Riohacha unter Beschuß nimmt. Sie ziehen aus Verzweiflung ins Hinterland, wo sie auf den tabakpflanzenden Kreolen José Arcadio treffen, der Partner von Aureliano wird. Über seine beiden Kinder erfahren wir nichts, aber einer hat einen Sohn: Arcadio und der oder die andere eine Tochter: Ursula. Sie leben im selben, kleinen Dorf und lernen sich lieben. José und Ursula heiraten.

Gouadeloupe1993Chutedeau
Lets play Adam and Eve. Or José y Ùrsula.

Primera generación
Die Gründer von Macondo und der Familie Buendía-Iguarán sind José Arcadio Buendía und Úrsula Iguarán. Sein Großvater Aureliano (auro=Gold) ist auch der Großvater seiner Frau Ursula, sie ist also seine Cousine. (Bruder vom Vater und davon das Kind. Die beiden Väter gehen auf Aureliano, einen aragonischen Händler, zurück. Die beiden Söhne des Großvaters Aureliano werden nirgendwo erwähnt). Die Generation der Ur-Großeltern sind eingewanderte Spanier, er stammt aus dem Königreich Aragon.
José
1) Joseph, Josef, der biblische Stammvater Israels, zweitjüngster Sohn des Erzvaters Jakob
2) Josef von Nazaret, auch Josef der Zimmermann, Ziehvater Jesu von Nazaret
3) Josef, einer der vier im Neuen Testament namentlich erwähnten Brüder Jesu, siehe Geschwister Jesu
Buendía
Altes Adelsgeschlecht aus dem 16.Jhd. dem Zeitalter der Conquista. Sie regieren in der Provinz Cuenca. Es gibt dort auch eine Stadt Buendia.
José Arcadio Buendía: „Der Urvater, der den einen guten neuen Tag unbelastet von mühsamer Arbeit und gesellschaftlichem Anpassungsdruck in einer idyllischen Natur begrüßt.“
Úrsula
Ursula ist lateinischen Ursprungs (ursus = Bär) mit dem Suffix -ula und bedeutet eigentlich kleine Bärin. Dieser Name ist im Grunde genommen eine Kopie des keltischen Namen Artula (artos = ursus), wie es in der zweisprachigen Inschrift von Trier (CIL XIII 3909) deutlich erscheint. Zur Verbreitung des Namens trug die Verehrung der heiligen Ursula im Mittelalter bei.

Krokodile für die Königin

ciénaga caribeña
Ciénaga caribeña en la isla de Goudeloupe

Macondo liegt auf einer Halbinsel, umgeben von Sumpfland. Das Meer ist ein Ort ständiger Sehnsucht, im Prinzip ist man auf allen Seiten von der Karibik umgeben aber man kommt aus den Sümpfen einfach nicht raus und fragt sich ständig, wie man vielleicht doch hingelangt. Einer alten Erzählung José Arcadios Großvaters zufolge soll man bei Riohacha auf das Meer stoßen. Der Opa hat berichtet, dass hier der Pirat Sir Francis Drake von seinem Schiff aus ähnlich dem Tontaubenschießen mit seinen Kanonen Kaimane abgeknallt hat. Damit soll an in diesem Zusammenhang eigentlich nur deutlich gemacht werden, dass in dieser Richtung das Meer liegt. Die Kaimane wurden mit Stroh ausgestopft und als Trophäe an die Königin geschickt. Ich bin hier durcheinander gekommen. Im Original werden die Echsen an Königin Isabel versandt und ich dachte dabei an die katholische Königin und Mutter aller Konquistadoren. Im deutschen Text gehen die ausgestopften Krokodile als Geschenk an Königin Elisabeth von England. Aus Königin Isabel wird kurzerhand Elizabeth. (Gabriel García Márquez, Hundert Jahre Einsamkeit, Deutsch von Curt Meyer-Clason dtv, München, 1987, 8.Auflage). Was ich dabei nicht bedacht hatte ist, dass Elisabeth auf Spanisch schlichtweg Isabel heißt.

„José Arcadio Buendía ignoraba por completo la geografía de la región. Sabía que hacia el Oriente estaba la sierra impenetrable, y al otro lado de la sierra la antigua ciudad de Riohacha, donde en épocas pasadas -según le había contado el primer Aureliano Buendía, su abuelo- sir Francis Drake se daba al deporte de cazar caimanes a cañonazos, que luego hacía remendar y rellenar de paja para llevárselos a la reina Isabel.”
Gabriel García Márquez, Cien años de soledad, Pdf. S.6

Drake hat tatsächlich seine Kanonen an der Küste von Kolumbien zum Einsatz gebracht. Er war von einer ausgesprochenen Wut auf das spanische Königshaus angetrieben. Er drückt den Spaniern gegenüber durch die vor ihrer Haustür geschossenen Kaimane seine Verachtung aus. Und er verängstigt sie zutiefst, denn die spanische Krone kann zur Verteidigung seiner Kolonie nicht viel tun. Deshalb sind die Bewohner der karibischen Küste Kolumbiens auch so verängstigt und verunsichert. In einer kommentierten Ausgabe findet sich auch der Hinweis, dass der Großvater von GGM mütterlicherseits eine solche Attacke selbst miterlebt hat: „Rioacha, puerto de la costa atlántica de Colombia, ciudad natal de don Nicolás, abuelo materno de GGM. Fue efectivamente asaltada por el corsario inglés Sir Francis Drake (h. 1540-1596), quien realizó varias expediciones contra las colonias espanjolas de América entre 1570 y 1572 por cuenta de Isabel I de quien fue favorito. Es uno de los personajes históricos fetiches de GGM.“