Von der Astrologie zur Astronomie

Von der Astrologie zur Astronomie, Ringvorlesung 14/15 am 9.12.14
Prof. Dr. Ansgar Reiners, Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Astrophysik

Umbruch

Den Umbruch stellt Reiners an den Beginn seines Vortrags. Er findet statt, als die schon seit ältesten Zeiten stattfindenden Beobachtungen des Himmels in einer Kombination aus Beobachtung und Experiment untersucht und verifiziert werden und dabei das über mehrere Jahrtausende gefestigte Weltbild durch neue Anschauungen und Begriffe ersetzt wurde. Die beiden wichtigsten Aspekte sind:
1. Die Erde bewegt sich und
2. Sie ist nicht der Mittelpunkt des Universums.

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Dabei gehen wie stets die durch neue Techniken geschaffenen Bilder in den Verstand ein und prägen sich ein. Dies ist vor Allem der Anblick der Erde aus dem All, den es erst seit dem letzten Jahrhundert gibt. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind im täglichen Leben nur wenig spürbar: immerhin folgt aus Erdumfang und Tageslänge, dass wir uns hier mit 1800 km/h um die Erdachse drehen (am Äquator sind es nur 1000 km/h).

Die Anfänge der Himmelsbeobachtung

Die ältesten Nachweise in schriftlicher Form finden sich auf den Venus-Tafeln des Ammi-saduqa. Bei den aus der Bibliothek Assurbanipals stammenden Keilschrifttafeln  (Grotefend aus Göttingen) handelt es sich um Abschriften früherer Texte, die von den Originalen aus der Regierungszeit Ammi-saduqas (1646 bis 1626 v. Chr. nach der mittleren Chronologie) angefertigt wurden. Die Venus-Tafeln zeigen in einer lückenlosen 21-jährigen Datensammlung die Venus-Sichtbarkeit in tabellarischer Form. Die bekannteste Tafel aus der Sammlung Enuma Anu Enlil ist im britischen Museum in London ausgestellt.

Die Beobachtung der Himmelskörper diente damals vorrangig der Kommunikation mit den Göttern und zur meterologischen Vorhersage für die Landwirtschaft. In Bauwerken wie Stonehenge werden die Jahreszeiten durch den Lichteinfall anschaulich. Die Mikrokosmos/Makrokosmus Lehre schuf eine Beziehung zwischen den Gestirnen und dem menschliche Schicksal.

Aristoteles

Den größten und nachhaltigsten Einfluss hatte die Kosmologie von Aristoteles (384 – 322 v.Chr.). Er schuf ein sinnvolles Weltbild, das bis ins 17.Jhd. die Weltanschauung prägte. Im Zentrum des Weltalls befindet sich die unbewegte Erde. In dieser „sublunaren Sphäre“ herrscht ständiger Wandel, ein Wechsel von Entstehen und Zerfall; die vier Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde, stehen in beständiger Wechselbeziehung zueinander und sind ineinander umwandelbar. Die Himmelskörper  dagegen sind nicht irdischer Natur. Sie bestehen auch nicht aus den irdischen Elementen, sind keinem Wandel unterworfen und bewegen sich auf  unveränderlichen Kreisen um die Welt. Ihr Wesen ist die später sogenannte Quinta essentia, das auf der Erde nicht vorkommende fünfte Element, die Quintessenz. (vgl. Heike Hild in Alchemie, Claus Priesner und Karin Figala, Hrsg., C.H.Beck, München 1998). Unter Rückgriff auf die Phytagoräer gelten die Kreis- und Kugelform als perfekt. Aristoteles stellt eine Reihe von Fragen, die von fundamentaler Bedeutung sind, so auch die Aufgabe, dass es zu prüfen gilt, ob außerhalb dieser Welt eine weitere Welt ist.

Aristarch von Samos

Aristarch (310 -230 v.Chr.) war Mathematiker und Astronom und versuchte als erster eine exakte Berechnung der Größen und Entfernungen von Sonne und Mond. Aristarch beobachtete von 288 bis 277 v.Chr. in Alexandria und hielt die Sonne für einen Fixstern, also wohl auch die Fixsterne für Sonnen, was vielleicht der bemerkenswertere Teil dieser Ansicht ist. Seine herausragende Leistung ist die ihm zugeschriebene Vermutung des heliozentrischen Systems. Sonne und Fixsterne gelten als feststehend, die Erde dreht sich um die Sonne. Wie viele andere griechische Schriften gelangte die Abhandlung „Über die Größen und Entfernungen von Sonne und Mond“ durch die Araber nach Westeuropa. Eine Übersetzung der Arbeit Aristarchs vom Griechischen ins Arabische besorgte Qusta ibn Luqa al-Ba´labakki (gest. um 912). Ins Lateinische übersetzte dieses dann Giorgio Valla (1447- 1499) im Jahr 1488. Sein Werk wurde erst durch die Publikation im Jahr 1544 (Gutenberg/Buchdruck), ein Jahr vor dem Tod des Kopernikus, wiederentdeckt.

Claudius Ptolomäus

Claudius Ptolemäus ( Κλαύδιος Πτολεμαῖος = Klaúdios Ptolemaíos, lateinisch Claudius Ptolomaeus) *um 100, möglicherweise in Ptolemais Hermeiou, Ägypten und † nach 160, vermutlich in Alexandria, war ein griechischer Mathematiker, Geograf, Astronom, Astrologe, Musiktheoretiker und Philosoph. Insbesondere seine drei Werke zur Astronomie, Geografie und Astrologie galten in Europa bis in die frühe Neuzeit als wichtige umfangreiche Datensammlungen und wissenschaftliche Standardwerke. Er schuf ein Bild von der Erde mit Sphären. Sonne und Planeten kreisen demnach in Kreisen um die Erde. In diese Vorstellung sind Beobachtungen eingeflossen. Er benötigte 50 Kreise zur Erklärung der Bewegungen der Sterne. Es war die einzig mögliche Erklärung zu seiner Zeit. Sein Planisphärium konnte die Bewegungen nur durch zusätzliche Kreise erklären, die auf den Hauptkreisen zirkulieren. Es folgte das Mittelalter als erkenntnisfreie Zeit.

Albertus Magnus

Albertus Magnus, Paris und Köln, 1200-1280, Astronomie ist eine mathematische Disziplin, deren Berechnungen von der Astrologie interpretiert werden. Bei der Datenaufnahme und Interpretation sind objektive Fragen erlaubt. In Fragen des Glaubens geht es nach Augustinus.

Nikolaus von Kues

Nikolaus von Kues, Kusanius, 1401-1464, Sein Werk „De docta ignorantia“ (Die belehrte Unwissenheit) stellt fest: Ich erkenne, dass ich einiges nicht weiß. Die Erde kann nicht Mittelpunkt der Erde sein, also muss sie auch bewegt sein.

Nikolaus Kopernikus

Nikolaus Kopernikus, 1473-1543, Arzt und Domherr, Schreibt ca. 1509 die Comentariolos „Nicolai Copernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus“ Nikolaus Kopernikus’ kleiner Kommentar über die Hypothesen der Bewegungen der Himmelskörper, die von ihm selbst aufgestellt wurden. Diese Notizen werden nicht groß veröffentlicht, er hat Angst sich lächerlich zu machen. Immerhin gelangt das Wissen darüber bis zu Martin Luther, der in seiner Tischrede 1539 darauf Bezug nimmt. Erst 30 Jahre später, kurz vor seinem Tode im Jahre 1543, veröffentlichte er sein Hauptwerk „De revolutionibus orbium coelestium“, in welchem er die Sonne ins Zentrum stellt und den Planeten, die um diese Kreisen „heliozentrisches Weltbild“. Er entwarf ein Modell mit wiederum 5o Kreisen. Er war sich der Konsequenz seiner These bewußt: Warum merken wir nichts von der gewaltigen Geschwindigkeit, mit der wir uns auf einer rotierenden Kugel bewegen?

Die Religion und das Leben: es bahnt sich ein Umbruch an. Welt und Mensch stehen nicht mehr im Zentrum. Neue Fragen tun sich auf: Ist das All unbegrenzt? Dies ist eine beängstigende Vorstellung gegenüber den relativ überschaubaren 8 Sphären der Alten. Es ist sowas wie eine Stunde O, alles alte Wissen ist plötzlich obsolet.

Bernardino Telesio

1509-1588, De rerum natura, Entwickelt Konzepte von Materie und Kraft, postuliert unabhängige Beobachtungen der Natur. Man soll die Natur befragen. Telesio ist ein Vorläufer der Aufklärung.

Tycho Brahe

Tycho Brahe, 1546-1601, ist der erste wissenschaftlich und sorgfältig arbeitende Astronom. . Da das Fernrohr noch nicht erfunden ist, arbeitet er mit einem Mauerquadrant. Er ermittelte mit seinen Assistenten mehr als 1000 Sternpositionen, alles freihändig und ohne jede Optik. Er konnte seine Daten allerdings nicht analysieren und interpretieren.

Johannes Keppler

Johannes Kepler, 1571-1630, auch Keppler; * 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt; † 15. November 1630 in Regensburg, war ein deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe, Optiker und evangelischer Theologe. In Graz war Kepler Mathematiklehrer an der protestantischen Stiftsschule, die der katholischen Universität von Graz gegenüberstand. In Prag war er zunächst Assistent von Tycho Brahe, dann kaiserlicher Mathematiker unter Rudolf II. Diese Stellung behielt er unter Rudolfs Nachfolgern. Unter Matthias I. und Ferdinand II. wirkte er als Landesmathematiker in Linz. Zuletzt diente er General Wallenstein als astrologischer Berater. Johannes Kepler entdeckte die Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich Planeten um die Sonne bewegen. Sie werden nach ihm Keplersche Gesetze genannt. Er machte die Optik zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung und bestätigte die Entdeckungen, die sein Zeitgenosse Galileo Galilei mit dem Teleskop gemacht hatte. Kepler zählt damit zu den Begründern der modernen Naturwissenschaften. Im Mysterium Cosmographicum (Das Weltgehemnis) entwickelt er ein Weltmodell, bei dem die Planeten Bahnen um die Sonne ziehen, die den himmlischen Sphären entsprechen und die pythagoreischen Zahlen widerspiegeln. Das Werk umfasst zwei Teile, wobei der erste eine deduktive mystische Suche nach einer Erklärung des Sonnensystems darstellt. Der  zweite Teil zeigt wissenschaftliche Gedanken: Wenn was nicht passt, war alles vergebens. Es taucht der Gedanke der Falsifikation auf. Im Jahr 1609  veröffentlichte er sein Werk Astronomia Nova (Neue Astronomie). Ausgehend von den Marsbeobachtungen Brahes sind seine Thesen: 1) die Planeten bewegen sich auf Ellipsen und nicht auf Kreisbahnen 2) Sie führen ungleichmäßige Bewegungen aus 3) Er entwickelt ein Konzept der Kraft. Je weiter sie voneinander entfernt sind, desto geringer ist der Einfluss, den sie aufeinander haben. Für eine präzise Berechnung der Bahnen fehlte noch das mathematische Handwerkszeug: die Infinitesimalrechnung.

Galilieo Galilei

Galilieo Galilei (1571-1630). Er veröffentlichte im Jahr 1610 Sidereus Nuncius. Sie war die erste wissenschaftliche Abhandlung, die auf astronomischen Beobachtungen beruhte, die mit einem Teleskop gemacht wurden. Er beschreibt darin aufgrund 4 monatiger Beobachtungen die Mondkrater sowie die Jupitermonde. Die Veröffentlichung löste unter den Philosophen der Zeit große Bestürzung aus: Zahlreiche Schlussfolgerungen des Aristoteles hatten sich durch Experimente, solide Beweise und Beobachtungen als falsch erwiesen.

Francis Bacon

Francis Bacon (1561-1626) veröffentlicht 1620 „Novum organum scientiarum“ (Neues Werkzeug der Kenntnisse) in dem eine neue, wegweisende und moderne wissenschaftliche Methodik entwickelt wird.

Isaac Newton

Issac Newton (1642-1726)  formuliert ein allgemein gültiges Gravitationsgesetzt. Es ist gültig im Himmel und auf Erden. Er hat die keplerschen Ideen gründlich studiert und daraus allgemeine Gesetzte abgeleitet. Er war neben Leibnitz Begründer der Infinitesimalrechnung, die Voraussetzung für die Berechnung von Planetenbahnen ist.

James Bradley

James Bradley (1693-1762) führt Messungen zur Aberration des Lichts durch. Er vertieft so das Wissen um die Bewegung der Erde. Die Aberration wird später auch zu einer wesentlichen Grundlage für die Relativitätstheorie.

Friedrich Wilhelm Bessel

Friedrich Wilhelm Bessel (1784 in Minden- 1846 in Königsberg) war ein deutscher Astronom, Mathematiker, Geodät und Physiker. Er berechnet die sich aus der Bewegung der Erde um die Sonne auftretenden Winkelabweichungen der Fixsterne.

Albert Einstein

Albert Einstein (1879 in Ulm-1955 in Princeton) war ein theoretischer Physiker. Seine Forschungen zur Struktur von Materie, Raum und Zeit sowie dem Wesen der Gravitation veränderten maßgeblich das physikalische Weltbild. Er veröffentlicht 1916 die allgemeine Relativitätstheorie. Mit der Geometrie der Raumzeit entsteht ein neues Weltbild gegen Euklid und Newton.