Der Samstagsdieb

Erzählung von Gabriel García Márquez. Übersetzung Robert Seidemann

Hugo, ein Dieb der nur an den Wochenenden klaut, betritt ein Haus an einem Samstag in der Nacht. Ana, die Hausbesitzerin, eine hübsche Dreißigjährige von leidenschaftlicher Schlaflosigkeit, erwischt ihn in flagranti. Mit der Pistole bedroht, übergibt die Frau ihm alle Schmuckstücke und Wertsachen und bittet ihn, er möge sich nicht Pauli nähern, ihrer drei Jahre alten Tochter. Nichtsdestoweniger sieht die Tochter ihn und er erobert sie mit einiger Magie. Hugo denkt: „Wozu so bald weggehen, wenn man es hier so gut hat?“ Er könnte das ganze Wochenende bleiben und die Situation in vollen Zügen genießen, denn der Ehemann -das hatte er ausspioniert- kommt von seiner Geschäftsreise erst am Sonntag in der Nacht zurück. Der Dieb überlegt es sich reiflich: er zieht sich die Hosen des Hausherren an und bittet Ana, sie möge für ihn kochen, sie möge den Wein aus dem Keller holen und sie möge Musik auflegen zum Essen, denn ohne Musik kann man nicht leben.

Ana ist besorgt um Pauli und während sie das Abendessen bereitet, denkt sie sich etwas aus, um den Kerl aus ihrem Haus zu bekommen. Aber sie kann nicht viel ausrichten, denn Hugo hat die Telefonkabel durchtrennt, das Haus liegt abseits, es ist Nacht und niemand wird vorbeikommen.

Ana beschließt in Hugos Glas eine Schlaftablette zu tun. Während des Essens bemerkt der Dieb, der unter der Woche als Wachmann bei einer Bank arbeitet, dass Ana die Moderatorin seines Lieblingsprogramms im Radio ist, das Programm mit der Schlagermusik, dass der immer jede Nacht hört. Hugo ist ihr großer Bewunderer und während sie dem großartigen Benny lauschen, wie er singt, wie es einstmals war, sprechen sie über Musik und Musiker. Ana bereut, ihn einzuschläfern, aber Hugo verhält sich ruhig und hat keine Absichten sie zu belästigen oder zu vergewaltigen, aber es ist schon zu spät, denn das Schlafmittel ist bereits im Glas und der Dieb trinkt zufrieden gänzlich aus. Es hat jedoch eine Verwechslung gegeben, derjenige der das Glas mit der Pille getrunken hat, ist sie. Ana schläft postwendend ein.

Am nächsten Morgen erwacht Ana vollständig angezogen und schön mit einer Decke zugedeckt in ihrem Schlafzimmer. Im Garten spielen Hugo und Pauli, gerade haben sie das Frühstück beendet. Ana wundert sich, dass sie sich so gut verstehen. Obendrein gefällt ihr, wie dieser Dieb kocht und der letzten Endes recht attraktiv ist. Ana beginnt ein wundersames Glücksgefühl zu verspüren.

In diesem Augenblick kommt eine Freundin vorbei um sie zum Essen einzuladen. Hugo wird nervös, aber Ana erfindet eine Erkrankung der Kleinen und verabschiedet sie flugs. So bleiben die Drei gemeinsam zuhause um den Sonntag zu genießen. Hugo repariert die Fenster und das Telefon, das er in der vorherigen Nacht zerlegt hatte und pfeift dabei. Ana bemerkt, dass er so gut Salsa tanzt, ein Tanz der sie begeistert, den sie aber nie mit irgendwem praktizieren kann. Sie schlägt ihm ein Tänzchen vor und sie bringen sich in Stellung: auf diese Weise tanzen sie bis zum Beginn des Abends. Pauli beobachtet sie, schließlich schläft sie ein. Endlich erschöpft sinken sie in einen Sessel im Wohnzimmer.

Dem Glücklichen schlägt keine Stunde, schon ist es Zeit, dass der Ehemann zurückkehrt. Obwohl Ana sich weigert, gibt Hugo quasi alles, was er geraubt hatte, zurück und gibt ihr einige Ratschläge, damit sich nicht Diebe ins Haus schleichen und verabschiedet sich von den beiden Frauen mit nicht wenig Traurigkeit. Ana schaut, wie er sich entfernt. Hugo ist kurz vor dem Entschwinden, da ruft sie ihn laut. Als er zurückkehrt, sagt sie ihm, während sie ihm fest in die Augen schaut, dass ihr Ehemann am kommenden Wochenende wiederum auf Reisen geht. Der Samstagsdieb geht glücklich fort, tanzt durch die Straßen des Viertels, während die Dämmerung hereinbricht.

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