Chita: A memory of Last Island

Urgewaltiger Roman über die letzten Tage eines Teils der Menschheit und wie ein kleines Mädchen dabei überlebt.

Roman von Lefcadio Hearn aus dem Jahr 1889. Deutsche Übersetzung 2015.

Die Menschen im Bayou leben am Rand der bewohnbaren Welt. Es sind Chinesen und Malayen, Franzosen, Spanier und Kreolen, Amerikaner und Deutsche. Es ist eine Welt größtmöglicher Gegensätze: mal paradiesisch schön und im schon im nächsten Augenblick sind Mensch und Tier dem Untergang preisgegeben. Die Natur ist hier wahrhaft allgewaltig und übermächtig. Lefcadio läßt die Natur durch seine Beschreibungen auf vielfältige Weise lebendig werden. Die Wellen haben Köpfe, die Wolken Gesichter und der Wind spielt die Musik zu einem großartigen Schauspiel, das zur Unterhaltung und zum Vergnügen der sommerlichen Besucher aufgeführt wird. Dabei klingt stets ein mögliches Umschlagen der Idylle in ein Unglück mit an:

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Karibik trikolor: La Martinique

„Nature,–incomprehensible Sphinx!–before her mightiest bursts of rage, ever puts forth her divinest witchery, makes more manifest her awful beauty …” Original pdf S.9
„Die Natur – unergründliche Sphinx – stellt vor ihren machtvollsten Zornesausbrüchen stets ihren göttlichen Zauber zur Schau, offenbart noch deutlicher ihre schreckliche Schönheit…“ Übersetzung S.22.

Die sommerlichen Urlauber sind gegenüber den Signalen der Natur blind und taub: in der Gruppe fühlen sie sich sicher. Beeindruckend ist die Beschreibung des Grauens und der Gefahren, die selbst starke und erfahrene Schwimmer befallen, wenn sie hier allein ins Meer hinausschwimmen. Wenn jedoch genug andere sich mit im Wasser tummeln, spielt das, was ein Einzelner zu empfinden vermag, schlicht keine Rolle mehr:

“Perhaps, if a bold swimmer, you may venture out alone a long way–once! Not twice!–even in company. As the water deepens beneath you, and you feel those ascending wave-currents of coldness arising which bespeak profundity, you will also begin to feel innumerable touches, as of groping fingers–touches of the bodies of fish, innumerable fish, fleeing towards shore. The farther you advance, the more thickly you will feel them come; and above you and around you, to right and left, others will leap and fall so swiftly as to daze the sight, like intercrossing fountain-jets of fluid silver. The gulls fly lower about you, circling with sinister squeaking cries;–perhaps for an instant your feet touch in the deep something heavy, swift, lithe, that rushes past with a swirling shock. Then the fear of the Abyss, the vast and voiceless Nightmare of the Sea, will come upon you; the silent panic of all those opaline millions that flee glimmering by will enter into you also…

From what do they flee thus perpetually? Is it from the giant sawfish or the ravening shark?–from the herds of the porpoises, or from the grande-ecaille,–that splendid monster whom no net may hold,–all helmed and armored in argent plate-mail?–or from the hideous devilfish of the Gulf,–gigantic, flat-bodied, black, with immense side-fins ever outspread like the pinions of a bat,–the terror of luggermen, the uprooter of anchors? From all these, perhaps, and from other monsters likewise–goblin shapes evolved by Nature as destroyers, as equilibrists, as counterchecks to that prodigious fecundity, which, unhindered, would thicken the deep into one measureless and waveless ferment of being… But when there are many bathers these perils are forgotten,–numbers give courage,–one can abandon one’s self, without fear of the invisible, to the long, quivering, electrical caresses of the sea …” S.11 Original pdf. Die Rettungsschwimmer konnten dieses Verhalten der Masse Mensch im Sommer 2014 zu ihrem Grauen ausführlich an den Ostseestränden studieren, als wochenlange Winde aus einer Richtung Tiefenströmungen in Gang setzten, denen jeden Tag aufs Neue zahlreiche Urlauber zum Opfer fielen: Was sollte man befürchten, es waren ja so viel andere auch im Wasser..

Die deutsche Übersetzung ermöglicht eine angenehm einfache Lektüre, auch durch die Erläuterungen im Anhang. Nicht jeder wird wissen, dass de Soto als erster Weißer den Mississippi befahren hat oder alle Sprachen sprechen, die im Roman vorkommen. Das Original findet man problemlos als pdf zum download. Es drängten sich mir beim Lesen unwillkürlich die unvergesslichen Bilder aus „Beast of the southern wild“ auf. Vielleicht hat Chita ja im kollektiven Gedächtnis der Bayoubewohner Spuren hinterlassen und steckt auf irgendeine Weise im Drehbuch bzw. Theatersück mit drin.