Vorgeschichte der Kritik der reinen Vernunft

Das mittelalterliche Weltbild glich einer Kathedrale. Sie war eingestürzt und ihre Trümmer sind bei Kant gelandet. Er hat sie sehr genau betrachtet, einige davonn aussortiert und andere neu wieder zusammengesetzt.

Die Frage nach dem Warum und des Zeitpunktes der KdV führt zurück ins Mittelalter.

Copyright 2015 Robert Seidemann
„Das mittelalterliche Gebäude der Metaphysik hatte drei Stockwerke und einen »Dachstock« oder Turm. Es baute auf dem auf was die Alten „Sensus“ – unsere sinnliche Wahrnehmung nannten. Über dem „Parterre“ oder Fundament der empirisch erfahrbaren sinnlichen Wirklichkeit erhob sich für den mittelalterlichen Philosophen der menschliche Verstand, die „Ratio“, welcher aufgrund seiner begrifflich-logischen Struktur aus den einzelnen sinnlichen Wahrnehmungen eine begreifbare Wirklichkeit macht. Auf der nächsthöheren Stufe sahen die Alten die menschliche Vernunft oder den „Intellectus“, welcher als integrales Ideenvermögen Einblick in die großen Ideen hat, nach denen die ganze Schöpfung hervorgebracht wurde und regiert wird. Hier begegneten die mittelalterlichen Seher in einer Art „übersinnlichem Empirismus“, wie Schelling sich ausdrückt, den reinen Intelligenzen oder Engelchören, der Geisterwelt also, welche demiurgisch am göttlichen Schöpfungsplan beteiligt ist. Das Dach des Gebäudes bildete Gott, der höchste Schöpfer und eigentliche Grund für alles Dasein vom Sensus bis zu den Intelligenzen. Dieser Dom der Erkenntnis geriet durch den mittelalterlichen Universalienstreit und die Skepsis der sogenannten „Nominalisten“ ins Wanken: Je selbstbewußter der Mensch nach der Wirklichkeit der Ideen und dem Sein Gottes fragte und sie anzuzweifeln wagte, je unwirklicher wurde das Reich des Übersinnlichen, bis das Schauen der Intelligenzen und die mystische Erfahrung Gottes — ganz deutlich und einschneidend dann im 19. und im 20. Jahrhundert — nur mehr als Spekulation angesehen und für eine spezielle „subjektive Befindlichkeit“ der menschlichen Psyche gehalten wurde. Die Grundlagen für diese Entwicklung waren bereits an der Schwelle zur Neuzeit gelegt; da drohte das mittelalterliche Erkenntnis-Gebäude einzustürzen. Nach der nominalistischen Skepsis bedurfte es nur mehr der sogenannten »cartesianischen Wende«, daß es nämlich das menschliche Denken sei, welches an die Spitze des Gebäudes gestellt werden müsse, weil es zwar alles anzweifeln kann, nicht aber sich selbst, den Zweifelnden, um das wankende Gebäude endgültig zum Einsturz zu bringen.“ (Michael Frensch, Hrsg. Lust an der Erkenntnis: Esoterik von der Antike bis zur Gegenwart, Piper 1991, S.279 f.)

Bei diesem Gedankengebäude ist alles über dem Kirchenschiff Metaphysik. Dort tut der Engel Schaar seinen Dienst, wohlgeordnet in hierarchischer Struktur unter der Leitung von Erzengel, Cherubim und Seraphim. Die Aussagen über diese metaphysischen Sphären hatten sehr rationale Formen angenommen. Da auch Naturforscher wie Swedenborg und selbst Newton esoterischen bzw. alchimistischen Strömungen folgten, drängte sich eine Frage grundsätzlicher Art auf: „Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?“ (KdV, Einleitung Ausgabe 2001, S.111.) Zur Beantwortung dieser Frage nahm Kant alles in Betracht, was vor ihm an brauchbaren Gedanken entwickelt worden war. Dazu gehörte in großem Umfang das Gedankengut der Empiristen, die das Fundament des „Sensus“ weitergedacht hatten. Von John Locke (1632— 1704) übernimmt er denn auch ganz direkt „Das Ding an sich“ und David Hume (1711— 1776) erwähnt er schon in der Einleitung. Dabei ist er der Ansicht, der Empirismus wäre durchaus zu weitreichenderen Aussagen fähig. Den Bereich der Ratio hatten Voltaire und Descartes in Frankreich und Leibnitz in Deutschland weiterentwickelt. Sowohl Descartes als auch Leibnitz hatten Urteile über die Existenz Gottes formuliert. Sie klingen einleuchtend und schlüssig. Kommt ein solches Urteil dann auch noch von einer den größten wissenschaftlichen Kapazitäten der Zeit, erlangt es eine große Bedeutung. Sind das aber Gründe für seine Richtigkeit? Um diese Fragen zu beantworten, musste die KdV auf einem soliden und sozusagen erdbebenfesten Fundament stehen. Das erreicht Kant durch klar definierte Begriffe, die man auch nach 200 Jahren noch eindeutig bestimmen kann. Und er beginnt quasi bei den elementarsten Grundlagen des Denkens: wie gestaltet sich das Zusammenwirken der Anschauung des Dings ans sich und seine Zuordnung zum Begriff? Nach diesen Überlegungen stellt sich in der transzendentalen Analytik heraus, dass der Verstand die Welt der Erscheinungen aus sich heraus im Wechselspiel mit den Anschauungen erschafft. Daraus folgt, dass wissenschaftliche Aussagen nur Gültigkeit im Rahmen der Grenzen des Verstands haben, also nur im Rahmen von Raum, Zeit und Anschauung. Da die Metaphysik den darüberhinausgehenden Bereich, sozusagen Dachstuhl und Turm der Kirche, umfasst, können darüber keine wissenschaftlichen Aussagen getroffen werden. Sowohl Descartes als auch Leibnitz liegen mit ihren Gottesbeweisen daneben. Ganz vorbei war es für die Theologie als Leitwissenschaft. Sie hatte 1781 ihre Leuchtturmfunktion endgültig verloren.

Kant. Kritik der reinen Vernunft in Kurzform

Von den Urteilen des Verstands zu den Schlüssen der Vernunft

Immanuel Kant präsentiert ein 2 stufiges Modell der Informationsaufnahme- und Verarbeitung im Gehirn eines vernünftigen Wesens, des
Ich
Das Ich ist unbedingt: Summe seiner Erfahrungen – Identität als Einheit seiner Vorstellungen

Als Einheit der Aperzeption ist das Selbstbewußtsein Bedingung

  • der Subjektivität (Ich als Intelligenz und denkend Subjekt)
  • der Objektivität (Erkenne mich selbst als gedachtes Objekt)

Daraus ergibt sich die Janusgesichtigkeit des Menschen als

  • Erscheinung:      Naturwesen → Kausalität
  • Ding an sich:      als Idee → Freiheit
  1. Transzendentale Analytik. Verstand

Mit allen Sinnen nehmen wir die Objekte wahr. Zuordnung nach einem Schema zu Begriffen durch

  • Transzedentale Ästhetik: f(x,y,z;t)
  • Transzedentale Analytik: Anschauung-Kategorien (a priori) Begriffe, Urteile + Spontanität!

Dabei fällen wir Urteile als

  • Analytisches Urteil „Tautologisch“ ¬f (x,y,z;t) A priori
  • Synthetisches Urteil, erweitert den Verstand um Neues aus Sinnlichkeit f (x,y,z;t) A posteriori

Wissenschaft ist im Rahmen von Objekten möglich, die in Raum und Zeit existieren und über die nach Begriffen geurteilt bzw. entschieden (disputiert) werden kann. Demnach kann es keine Wissenschaft der Metaphysik geben. A priori ist lediglich teilweise die Arbeitsweise des Verstandes. Der Mensch gibt sich damit nicht zufrieden, will mehr erkennen:

  1. Transzendentale Dialektik Vernunft

Vernunft Zieht Schlüsse aus Urteilen + Begriffen (s.o.) Strebt nach dem Absoluten dem Unbedingten

Löst die Kategorien von der Anschauung und wendet sie ins Absolute: den Ideen

I) Unsterblichkeit II) Kosmos III) Gott

Sie müssen gedacht werden, können aber nicht bewiesen werden. Bei der logischen Begründung der Ideale ergeben sich Widersprüche: die Antinomien.
die 3. Antinomie ist der Zielpunkt der K.d.V.

3 Antinomie: Kausalität – Freiheit

  • Ich als Erscheinung: unterliegt der Kausalität
  • Ich als Ding an sich: Freiheit

Das Ich entwickelt nicht bedingte Ideen (aus Freiheit), die unbedingte Ursache von Wirkungen sind (die ihrerseits der Kausalität unterliegen). Die Wirkung ist beweisbar, die Freiheit nicht. These und Antithese sind beide gültig.

Als One Note Skizze: Kant Kritik der reinen Vernunft Kurzform

Begriffe zur Kritik der reinen Vernunft: Begriffe zu Kritik der reinen Vernunft

 

Gibt es eine Erkenntnis des Übersinnlichen?

Leibniz und Kant über die Grenzen des Wissens.

Leibniz und Kant über die Grenzen des Wissens. Prof. Bernd Ludwig, Wintervortrag 2015/16. Zitate

1 So, wie z. B. der Geist bei der Idee eines Dreiecks es als notwendig darin enthalten erkennt, dass seine drei Winkel gleich zwei rechten sind und deshalb überzeugt ist, dass ein Dreieck drei Winkel hat, die gleich zwei rechten sind, so muss er lediglich daraus, dass er einsieht, dass in der Idee eines höchst vollkommenen Wesens das notwendige und Dasein enthalten ist, folgern, dass das höchst vollkommene Wesen existiert. (Descartes, Principia 1,14)

2 Man hätte jedoch ohne Vermittlung des Begriffs von Vollkommenheit oder Größe die Beweisführung schärfer und angemessener wie folgt fassen können: Das notwendige Wesen — als das Wesen, dessen Essenz seine Existenz besagt oder das Wesen an sich – existiert, wie das schon aus den Worten erhellt. Nun ist Gott — gemäß seiner Definition — ein solches Wesen, also existiert Gott. Dieses Argument ist schlüssig, sofern nur zugegeben wird, dass das vollkommenste oder größte Wesen möglich ist und keinen Widerspruch einschließt (essepossibile, nec implicare cvntradictionem). Oder, was dasselbe besagt, dass eine Essenz möglich ist, aus der die Existenz folgt. Solange aber diese Möglichkeit nicht bewiesen ist, darf man auch die Existenz Gottes durch ein derartiges Argument nicht für vollkommen bewiesen erachten. (Und konziliant fügt Leibniz hinzu:) Immerhin lernen wir aus der obigen Beweisführung das ausgezeichnete Vorrecht der göttlichen Natur (divinae naturae Privilegium) kennen, dass sie, sofern sie nur möglich ist (si modo sitpossibilis), auch ohne weiteres existiert (eo ipso existat), was bei den übrigen Gegenständen zum Beweis ihres Daseins (ad existentiamprobando) nicht ausreicht. (Leibniz, ed. Gerhard IV,359)

,Möglichkeitserkenntnis‘ beruht nach Leibniz entweder (1) direkt auf Erfahrung oder auf einer von 3 Formen der Realdefinition: (2) Realdefinition vermittels Konstruktion (mathematische Gegenstände) (3) Realdefinition vermittels unmittelbarer Verursachung durch seinerseits bereits als möglich Erwiesenes (Erfahrungsgegenstände) (4) Realdefinition vermittels vollständiger Zerlegung des Begriffs (Gegenstände von Ideen)

3 Man sieht aus dem bisherigen leicht: daß ein reiner Vernunftbegriff, d. i. eine bloße Idee, sei, deren objective Realität dadurch, daß die Vernunft ihrer bedarf, noch lange nicht bewiesen ist, welche auch nur auf eine gewisse, obzwar unerreichbare Vollständigkeit Anweisung giebt und eigentlich mehr dazu dient, den Verstand zu begrenzen, als ihn auf neue Gegenstände zu erweitern. (Kant KrVA 592, Herv. B. L.) (Ausgabe zweitausendeins: S.385)

4 Der Begriff ist allemal möglich, wenn er sich nicht widerspricht.(…) Allein er kann nichts desto weniger ein leerer Begriff sein, wenn die objektive Realität der Synthesis, dadurch der Begriff erzeugt wird, nicht besonders dargethan welches aber jederzeit, wie oben gezeigt worden, auf Principien möglicher Erfahrung und nicht auf dem Grundsatze der Analysis (dem Satze des Widerspruchs) beruht. Das ist eine Warnung, von der Möglichkeit der Begriffe (logische) nicht sofort auf die Möglichkeit der Dinge (reale) zu schließen. (A 596 Fn;)

5 Der Begriff eines höchsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr nützliche Idee; sie ist aber eben darum, weil sie bloß Idee ist, ganz unfähig, um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntniß in Ansehung dessen, was existirt, zu erweitern. Sie vermag nicht einmal so viel, daß sie uns in Ansehung der Möglichkeit eines Mehreren belehrte. Das analytische Merkmal der Möglichkeit, das darin besteht, daß bloße Positionen keinen Widerspruch erzeugen, kann ihm (sc. dem Begriff eines höchsten Wesens, B. L.) zwar nicht gestritten werden; da aber die Verknüpfung aller realen Eigenschaften (!) in einem Dinge (!) eine Synthesis ist, über deren Möglichkeit wir a priori nicht urtheilen können, weil uns die Realitäten specifisch nicht gegeben sind, und, wenn dieses auch geschähe, überall gar kein Urtheil darin stattfindet, weil das Merkmal der Möglichkeit synthetischer Erkenntnisse immer nur in der Erfahrung gesucht werden muß, zu welcher aber der Gegenstand einer Idee nicht gehören kann: so hat der berühmte Leibniz bei weitem das nicht geleistet, wessen er sich schmeichelte, nämlich eines so erhabenen idealischen Wesens Möglichkeit a priori einsehen zu wollen. (A 603) (Ausgabe zweitausendeins: S.389)

6 Notwendigkeit (ist) nichts als jene Existenz, die durch die Möglichkeit selbst gegeben ist. (B 111)

7 Diese Freiheit des Willens vorauszusetzen, ist (a) auch nicht allein (ohne in Widerspruch mit dem Princip der Naturnothwendigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen der Sinnenwelt zu gerathen) ganz wohl möglich (wie die speculative Philosophie zeigen kann), sondern (b) auch sie praktisch, d.i. in der Idee, allen seinen willkürlichen Handlungen als Bedingung unterzulegen, ist einem vernünftigen Wesen, das sich seiner Causalität durch Vernunft, mithin eines Willens (der von Begierden unterschieden ist) bewußt ist, ohne weitere Bedingung nothwendig. (Grundlegung 4:461)

8 Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehöriges Wesen kann der Mensch die Causalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken; denn Unabhängigkeit von den bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt (dergleichen die Vernunft jederzeit sich selbst beilegen muß) ist Freiheit. (4:452)

9 Daher ist es eine unnachlaßliche Aufgabe der speculativen Philosophie: wenigstens zu zeigen, daß ihre (der dogmatischen Philosophie) Täuschung wegen des Widerspruchs darin beruhe, daß wir den Menschen in einem anderen Sinne und Verhältnisse denken, wenn wir ihn frei nennen, als wenn wir ihn als Stück der Natur dieser ihren Gesetzen für unterworfen halten. (4:456)

10 Antinomie: Es ist eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung (der Erscheinungen der Welt insgesamt) anzunehmen notwendig (A 444) (und) Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur (A 445) (Ausgabe zweitausendeins: S.316)

11 Daß diese Antinomie auf einem bloßen Scheine beruhe, und daß Natur der Causalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige was wir leisten konnten, und woran es uns auch einzig und allein gelegen war. (A 558, Hel-v. B. L.) (Ausgabe zweitausendeins: S.369)

12 Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es bleibt nichts übrig als Vertheidigung, d. i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben und darum die Freiheit dreust für unmöglich erklären. (4:459)

13 Nun behaupte ich: daß wir jedem vernünftigen Wesen, das einen Willen hat, notwendig auch die Idee der Freiheit leihen müssen, unter der es allein handle. (…) der Wille desselben kann nur unter der Idee der Freiheit ein eigener Wille sein und muß also in praktischer Absicht allen vernünftigen Wesen beigelegt werden. (4:448; Herv. B. L.)

14 (Es) giebt die Vernunft nicht demjenigen Grunde, der empirisch gegeben ist, nach und folgt nicht der Ordnung der Dinge, so wie sie sich in der Erscheinung darstellen; sondern macht sich mit völliger Spontaneität eine eigene Ordnung nach Ideen, in die sie die empirischen Bedingungen hinein paßt, und nach denen sie sogar Handlungen für nothwendig erklärt ( ! ) die doch nicht geschehen sind und vielleicht nicht geschehen werden, von allen aber gleichwohl voraussetzt ( ! ), daß die Vemunft in Beziehung auf sie Causalität haben könne ( ! ); denn ohne das sie nicht von ihren Ideen Wirkungen in der Erfahrung erwarten. (A 548, Herv. B. L.)

5 Daher wir, was Freiheit sei, in praktischer Beziehung (…) gar wohl verstehen, in theoretischer Absicht aber, was die Causalität derselben (gleichsam ihre Natur) betrifft, ohne Widerspruch nicht einmal daran denken können, sie verstehen zu wollen. (06:144; Herv. B. L.)

16 Nun ist nicht das Mindeste, was uns hindert, diese Ideen auch als objectiv und hypostatisch anzunehmen, außer allein die kosmologische, wo die Vernunft auf eine Antinomie stößt, wenn sie solche zu Stande bringen will (die psychologische und theologische enthalten dergleichen gar nicht). Denn ein Widerspruch ist in ihnen nicht; wie sollte uns daher jemand ihre objective Realität streiten können, da er von ihrer Möglichkeit eben so wenig weiß, um sie zu verneinen, als wir, um sie zu bejahen! (A 673)

Lebendige Glühbirnen

Bringen Licht ins Dunkel: Glühbirnen. Auch in der Kunst.

Für die Ausstellung „BLUE MOON — THE FEELING OF LIGHT“ in der HGN in Duderstadt musste der Eingangsbereich verdunkelt werden. Licht kommt in der Dunkelheit groß raus und an einzelnen Punkten am besten zur Geltung. Die von der Decke baumelnden und in sanften Grüntönen schimmernden Glühbirnen sind etwas eigenartig. Sie leuchten wie gewohnt, aber die Farbe hat andere Ursachen: In der Birne befindet sich ein Biotop, eine Miniaturwelt. Kleine Pflanzen leben hier und strecken sich der künstlichen Sonne entgegen. Sie haben eine bläuliche Flüssigkeit unter sich, in der die Nährstoffe enthalten sind, mit denen sie sich versorgen, eine Art Miniaturursuppe:

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Bei den Pflanzen handelt es sich ausschließlich um fleischfressende Pflanzen, die hier sozusagen vegan leben. Ist die Suppe alle, sterben die Pflanzen und die Miniaturwelten gehen unter. Ein Besucher neben mir ist ebenfalls ganz angetan von dieser Installation und schwingt sich zum höchsten Lob auf, das er aus seinem täglichen Leben kennt und fragt den Museumsscout: Kann man das kaufen?

 

 

Etwas mehr Hirn, bitte!

Mit gutem Gefühl denkt es sich besser. Prof. Gerhard Hüter erklärt, warum wir dummerweise nicht glücklich werden.

Eine Huldigung an den Göttinger Verlag Vandenhoeck&Ruprecht hat Prof. Gerhard Hüter seinem Vortrag vorangestellt. In den Zeiten von digitalen Umwälzungen und Selfpublishing ein wichtiger Verweis auf die Bedeutung von Lektorat, Verlag und dem mit Sorgfalt gedruckten Werk für unsere Kultur. 

Hanna Carlson singing
Hanna Carlson stimmt uns positiv ein

Und unser Hirn erst: eine wahrhaft analoge Steuereinheit, bei der ohne positive Emotion und soziale Zuwendung gar nichts geht. Daran hapert es leider an allen Ecken und Enden. Hüter spannt einen weiten Bogen von den Messungen der Hirnströme bis zu den Frustrationen, die wir uns im Zusammenleben täglich einfangen. Allen Beziehungen liegt entweder eine Subjekt-Objekt Beziehung zugrunde, bei der der Beherrschende sein Gegenüber als Werkzeug, als reines Mittel zum Zweck, missbraucht. Eine gelungene Beziehung basiert auf gegenseitiger Anerkennung, eine Subjekt-Subjekt Beziehung.

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Voll Besetzt: das DT am Sonntagmorgen
the End
So, jetzt seid aber endlich nett zueinander!

Aus dieser in unserer Kultur aufgrund von Arbeitsteilung und hierarchischer Organisationsform dominanten Umgangsweise untereinander resultieren Krankheiten und ein in weiten Zügen unglückliches Dasein vieler Menschen. Dabei kann man sich je nach Temperament, früheren Erfahrungen und Lerneffekten im Lauf der Zeit zu einem Super Subjekt entwickeln, dem alle Mitmenschen zum Zweck werden. Man ist dann der ideale Super Manager und kämpft mit der verzweifelten Gegenwehr der Objekte. Oder man gibt gleich klein bei und begnügt sich mit der Objektrolle von vornherein: Ich bin eh hässlich, dumm oder nutzlos. Ein zufriedenes Leben sieht anders aus und wenn wir unser Potential auch nur entfernt ausschöpfen wollen, müssen wir Auswege aus diesem Dilemma suchen. Hüter möchte den Zuhörern im vollbesetzen Theater Mut machen, Ihre Welt auf diese Weise zu ändern. Der Applaus mit stehenden Ovationen zum Schluss lässt vermuten, dass viele im Saal so einiges von den angesprochenen Greultaten seitens ihrer Mitmenschen erlebt haben. Ich würde gern wissen, wieviele der eher älteren Zuhörer sich nächste Woche zum Chinesischkurs bei der VHS anmelden.

zweiter Rang
Die Zuhörer im 2.Rang haben verstanden

 

Das geheime Wesen der Dinge

«Las cosas, tienen vida propia -pregonaba el gitano con áspero acento-, todo es cuestión de despertarles el ánima.» S.3. Der Alchimist geht davon aus, dass alle Dinge innere Geheimnisse bergen und in einem Zusammenhang stehen. Er ist auf der Suche nach dem passenden Schlüssel, um Zugang zu erhalten. Das können Apparate wie das philosophische Ei, hier der Magnet oder Zauberformeln sein. Kant dazu lakonisch: das Ding an sich steht dem Menschen nicht zur Verfügung.

hermes_blJoseph von Eichendorff
Wünschelrute

Schläft ein Lied in allen Dingen,

die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst Du nur das Zauberwort.