19te internationale Tiberfahrt

19‘ Discesa Internationale del Tevere in Canoa da Citta di Castello a Roma – Internationale Gemeinschaftsfahrt

Anreise 25.4., Samstag

Göttingen-Memmingen-Lindau-Chur-San Bernandino-Lugano
Pünktlich um 9.00 Uhr treffen wir uns am Bootshaus zum Boote laden und um unser Gepäck in Wolfgangs Bus zu verstauen. Es nieselt leicht als wir starteten. Problemlos geht es über die Autobahn gen Süd. Jeder ist mal dran, den Bus zu steuern. Zur Mittagszeit erreichen wir Lindau am Bodensee. Hier machen wir Mittagspause bei Sonnenschein und Hitze. Das BMW Autohaus feiert das neueste 3er Modell mit Zelten, Musik und Bewirtung. Wir mischen uns unter die schikki mikki Autofans und lassen uns Würtschen, Kaffee und Kuchen schmecken. Da wir uns den österreichischen Wegezoll sparen wollen, fahren wir am See entlang bis Bregenz. Bei diesem Sonnenschein ein Vergnügen. Ausflugsdampfer gleiten über den See und die Promenade ist von Radlern, Roller-Bladern und Spaziergängern bevölkert. Das ist eine deutliche bessere Stimmung als im Pfändertunnel! Funktioniert leider nicht immer so staufrei wie heute Nachmittag.

Hinter Bregenz geht es in die Schweiz. Unser Etappenziel ist die Jugendherberge in Lugano. Am Nachmittag beginnt die Suche nach der Jugendherberge, die in der Nähe des Bahnhofs liegen soll. Leider haben die meisten Einheimischen noch nie was von ihr gehört. In einer Seitenstraße entdecken wir unser Ziel. Die Lage ist auserwählt gut, in einem vornehm diskreten Villenviertel in Mitten eines parkähnlichen Gartens. Swimming Pool, Tennis Platz, Tropengarten. Vor dem Entree plätschert erfrischend ein kleiner Brunnen. Wie angenehm.

Nach dem Zimmerbezug (Turmzimmer mit Zugang über eine Wendeltreppe) und einer Dusche gehen wir zum Abendessen in ein in der Nähe gelegenes Restaurant, wo wir die laue Abendluft und das Essen genießen. Die Wirtin empfiehlt selbstgemachte Ravioli und als Vorspeise einen Teller mit Bündner Fleisch auf Tessiner Art. Auch der Rotwein von den umliegenden Bergen schmeckt gut.

26.4., Sonntag

Lugano-Milano-Reggio Emilia-Firenze-Perugia
Wir starten wieder kurz vor 9.00 Uhr und nach weingen Kilometern in Italien. Wir montieren noch schnell an einem Rastplatz das teuere Schild mit dem Warnviereck für Dachgepäck in Überlänge. Die Grenzüberquerung ist problemlos. Bei gleißender Hitze durchqueren wir die Poebene. Frühzeitig treffen wir am Endpunkt der Etappe der Gruppe ein und bekommen als Empfang einen Kaffee serviert. Übernachtet wird in der Turnhalle von Ponte San Giovanni. Nach dem Einrichten der Schlafplätze und dem Duschen wird gemeinsam zum Essen gefahren in ein kleines Dorf nördlich von Perugia bei le Pulci/Bosco. Es gibt Nudeln in den verschiedensten Variationen satt und den guten umbrischen Weißwein. Und das ist das eigentlich überraschend an Umbrien: der einzige bekannte Wein aus Umbrien ist weiß und stammt von der Grenze des Latio-Gebietes, aus Orvieto. Diese Erkenntnis begleitet uns die ganze Woche über, wobei wir dann später in die Gegend der Castelli Romani und des Frascati kamen.

Unsere Tischnachbarn sind ebenfalls angereiste Teilnehmer vom Canoa Club Ancona. Sie sind normalerweise im SeeKajak auf dem Ionischen Meer unterwegs. Franscesco, ein Jurist, hat sich Boot, Neo usw. extra für die Tiberfahrt zugelegt. Natürlich alles Wildwassersachen. Beim Essen kreist die Zeitschrift “Paggaiando”, Paddeln, des italienischen Verbands. Wir bekommen begeisterte Tips für weitere Fahrten. Insbesondere die Tour “Tre giorni in laguna” vom 11-13.7.98 läßt die Augen glänzen: eine 3 tägige Gepäckfahrt durch die Lagune von Venedig. Gezeltet wird auf einer Reihe kleinerer Inseln rund um Venedig von denen lediglich Murano bekannt ist. Inselrundgang, gemeinsames Grillen und weiter geht’s, das ganze im kleinen Kreis. Wenn das nichts ist! Informationen erteilt die Associatione Arcobaleno, Tel.: 041-900591. Also dann bis demnächst!

Die Rückfahrt gestaltete sich abenteuerlich: ein angetrunkener Italiener rammte uns beinahe bei voller Fahrt – eine lange Schramme am Bus erinnert an diesen Vorfall. Inzwischen war der Wagen, dem wir gefolgt waren, außer Sicht. Uns bliebt nichts anderes übrig als eine nächtliche Ortsbesichtigung durch die kurvenreichen engen Gassen von Perugia bevor wir den richtigen Weg nach San Giovanni fanden. Gegen Mitternacht rollten wir uns müde in die Schlafsäcke.

27.4., Montag

Ponte San Giovanni – Deruta  = 17 km
Wir haben schönes Wetter, es ist warm und sonnig. Wir setzen kurz unterhalb von San Giovanni ein (unterhalb des Wehres). Die Szene erinnert an das Einsetzen an Ostern an der Wiesent. Die Italiener sind mit voller Montur am Start. Neopren, Helm, Rettungsweste (Salvatrice) und antürlich die passenden Boote. Nja, die übertreiben halt mal wieder.

Die Tevere entpuppt sich jedoch als ein schneller Fluß mit spritzigen Schwällen. Schon hinter der nächsten Flußbiegung fahren wir durch Schwälle in denen die kleinen Boote der Italiener hüpfen wie die Lachse beim Zug zu den Laichplätzen. Eine kräftige Wasserladung sorgt dafür das die hübschen T-Shirts sofort klatsch naß sind. Durch kräftige Paddleschläge bleibt das Boot im Lot. Die Kräfte, die sich hier austoben sind gewaltig, immerhin sackt hier jeweils ein Fluß wie die Weser ab.

Unterhalb der Brücke “Ponte Nuovo” ist ein verfallenes Wehr. Beim heranfahren rauscht es gewaltig. Ich frage die nette Paddlerin neben mir: was das wohl zu bedeuten hat? Sie lacht fröhlich und sagt: Nichts besonderes, nur eine nette Gelegenheit für ein Gratisbad (Te fa pagare un bagno). Das ist ungewohnt zu den anderen Fahrten, man kann das Urteil der Anderen weder beurteilen noch interpretieren. Also ran an den Feind und ab …….. O Gott o Gott! Ich bin einfach auf den Riesenschwall zugefahren. Eigentlich wollte ich sowas nie im Leben….Au weia…. zu spät, also Paddeln, Paddeln. Das Boot wird von gewaltigen Kräften geschüttelt und erst als ich den Schwall schon fast hinter mir habe bekommt das Boot noch eine leichte Drehung nach rechts. Wie in Zeitlupe gehe ich baden. Wouw, ist da Zug drauf. Das Boot zischt ab und ich kann gerade noch das Paddel erwischen. Aber die Italiener sind gut organisiert. Sofort zieht mich einer mit dem Boot aus dem Wasser während zwei andere dem Boot nachsprinten. Es gibt noch viele Kenterungen. Insbesondere Franco hat mit seinem Kanu einen Heidenspaß und läßt sich solange durch die Luft wirbeln, bis er es dann einmal in einem Rutsch schafft. Geht dann eines seiner Fässer baden, setzt die Meute mit dem Ruf Attentiona, la Posta! dem runden Ding nach, in dem sich die aussergewöhnliche Fracht befindet. Spezielle Briefe, von einer Postbeamtin feierlich am Start in Citta di Castello gestempelt, zum Flußtransport nach Rom. Da darf nichts verloren gehen.

Auch Wolfgang setzt sich in Szene und fährt unter lautem Beifall der Italiener die Schwallstrecke noch einmal, diesmal aber rückwärts. Wenn Franco geahnt hätte, was man noch so alles im Seekajak machen kann. Mein Problem ist, das ich nicht zu meinem Boot komme. Das Ufer ist glatt wie Schmierseife, ein Wald von Brennnesseln und zahlloses Dornengestrüpp verhindern jedes durchkommen. Durch Francos Spieltrieb kann ich nicht mit dem Kanu ein Stück mitfahren. Immer wider stürzt er sich die Monsterstufe hinunter. Die Italiener haben mein Boot weiter flussab voll Wasser an einem Busch festgebunden. Annekatrin nimmt mich schließlich auf dem Hinterdeck um die nächste Flußbiegung. Wir kommen bis zum Boot, aber an der Stelle, wo es angebunden ist, kann man nicht aussteigen. Der Fluß hat Hochwasser, das Ufer fällt steil ab. Mühsam krabbele ich vom Deck des Arno ins Schlauchboot der Amerikaner und nehme den Orka an den Haken. Das hat jetzt Expeditionscharakter. Eine ganz schöne Aktion jedenfalls. Endlich gibt’s wieder trockene Sachen. Nach weiteren kräftigen Schwällen ist der Kentersack weitestgehend gelehrt und ich fahre die letzten Kilometer nur noch mit Annekatrins Regenjacke bekleidet. Irgendwie waren unsere italienischen Freunde vielleicht doch besser angezogen. Ich wünsche mir vom Weihnachtsmann nächstes Mal die kleidsamen Neosachen.

Die Tour endet unterhalb Deruta. Die Gegend ist für ihre Keramik und Töpfereien bekannt. Ein Schreck beim Anblick der Autos: bei dem Pärchen aus Gießen ist das Seitenfenster zertrümmert worden. Es fehlt jedoch nichts. Bei einem anderen Auto sollte wohl ein Seitenspiegel entfernt werden. Die Vorhut war wohl mal eben in der Kneipe vor Ort und andere haben sich auf Ihre Art die Zeit vertrieben.

Während die Gießener den Schaden beheben lassen, fahren wir weiter zum Sportlerheim vom Fußballplatz, wo wir duschen können. Die Männer können in den Mannschaftsduschen benutzen, die Frauen haben die Dusche des Schiedsrichters zur Verfügung. Anschließend fahren wir weiter zum Dorfgemeinschaftshaus. Hier trifft auch das Pärchen aus Gießen mit dem alten R5 ein. Die lokale Werkstatt hatte ganz zufällig genau die passende Scheibe aus einem just stillgelegten R5 anbieten und einbauen können! Was für ein Zufall!

Inzwischen geht ein Regenschauer hernieder. Im Dorfgemeinschaftshaus, das gerade neu fertiggestellt wurde, wird übernachtet und auch die Wäsche getrocknet. Das rustikale Essen wird von der Gemeinde gestiftet. Der Abend endet mit Ansprachen und Ehrungen und einer Verlosung von Keramiktellern. Francesco, der die Tour seit vielen Jahren organisiert, findet ergreifende Worte. Die völkerverbindende Funktion der Dicesa wird uns anschaulich geschildert. Diese Route war seit anbeginn aller Zeiten von großer Bedeutung für die Menschheit: für die alten Römer natürlich, aber auch schon vor ihnen für die Etrusker und natürlich bereits im Neolithikum. Auch Kunst und Kultur dürfen nicht zu kurz kommen beim Paddeln, gerade hier in Italien. Wo alles anfing. Ähnliche Reden müssen die Leute von der UNESCO beeindruckt haben, als sie piano piano dafür sorgten, daß über die Hälfte des Budgets zum Erhalt des “Erbes der Menschheit” nach Italien fließt.

Schließlich werden zu vorgerückter Stunde handgearbeitete Tonteller verschenkt. Geehrt wird die weiteste Anreise (die beiden Amerikaner), die weiteste Anreise in Europa (Ein Wandteller für den GPC), die weiteste Anreise in Italien (aus Brescia), die größten Pechvögel (aus Gießen). Anschließend wurden handgeformte Porzellankajaks verlost. Andreas, Wolfgang und Annekatrin gewannen je eines.

Während wir einen Becher Wein um den anderen lehrten, begann draußen ein kräftiger aber stetiger Regen.

28.4., Dienstag

Ponte Cudi – Lago di Corbara = 20 km
Es regnet und regnet. Wir starten zur längsten Etappe, die aber wegen schlechtem Wetter gekürzt wird. Damit bleibt uns ein weiterer Riesenschwall erspart, den die Bayern im Vorjahr schön geknipst haben. Wir setzen an einer Tiberbrücke unterhalb von Todi bei Ponte Cudi ein. Die Bayern erzählten uns, daß unterhalb der Brücke im letzten Jahr noch ein gefährlicher Schwall war, den sie teilweise umgetragen hatten. Auch diese Bilder lassen sicher bei vielen Paddlern die Herzen höher schlagen. In diesem Jahr ist nun allerdings alles spurlos im Hochwasser versunken, wie wir gut von der Brücke aus erkennen können.

Wir besichtigen während die Autos vorgebracht werden das Bergdorf und trinken nochmals eine Tasse Cappuccino. Die letzten ca. 15 Kilometer sollen auf dem Stausee von Corbara gepaddelt werden. Zuerst fahren wir durch ein schönes bewaldetes Tal mit steilen Felswänden. In einer Regenpause machen wir Mittag auf einem Felsvorsprung. Bergauf sehen wir Höhlen, die früher wahrscheinlich bewohnt waren. Am Seeanfang sehen wir große Inseln aus Treibholz. Der See öffnet sich und wir gleiten schnell dahin. Andreas stellt die interessante Frage wie es wohl hier zum Paddeln wäre, wenn Wind aufkommt. Die Frage brauchen wir denn nicht erst lange theoretisch zu bearbeiten, denn schon bald kommt von den N/W gelegen hohen Berzügen ein kräftiger Fallwind, der den See ordentlich aufwühlt und die Boote vehement in eine Richtung drehen will, in die wir eigentlich gar nicht fahren wollen.

Es kommt Wind auf, der schräg von vorne bläst. Andreas dreht ab und fährt dicht unter Land. Robert und Annekatrin fahren mitten im See und reiten auf den Wellen. Am Steg des Ruderclubs wird bei starkem Platzregen und Wellen angelegt. Das Aussteigen ist nur auf dem Scheitelpunkt einer Welle möglich, wenn gleichzeitig ein anderer das Boot hält. Hier haben nun unsere italienischen Freunde mehr Last, weil sie nur gewohnt sind die rückwärtig Stütze zu benutzen.

Das futuristische Bootshaus hat die Form eines umgedrehten Ruderbootes. Es stellt sich heraus, daß das erst vor kurzem Fertig gewordene Bootshaus nicht ganz wasserdicht ist, an einigen Stellen quillt das Wasser rein. Wir schlafen im Tagesraum und haben auch wieder die obligatorische Wäscheleine gespannt. Wir haben die Möglichkeit zu duschen, aber nur die beiden Ersten haben warmes Wasser. Nicht alle Paddler haben die hier angebrachte stoische Ruhe, alles cool zu finden. Wir geniessen vom Balkon aus eine wunderbare Rundumsicht über den See bis zur Sperrmauer. Der Regen hat nachgelassen und wir fahren nach Orvieto.

Wir haben 2 Stunden Zeit für die Besichtigung. Orvieto gehört zu den 12 Etruskerstädten. Die mittelalterliche Stadt liegt auf einem Tafelberg.. Wir besichtigen den Dom und sehen uns bei einem Extraeintritt (die Karten dafür mußten in einem Geschäft auf der anderen Straßenseite gekauft werden) die berühmte Renaissance-Malerei in der S.Brizio Kapelle von Luca Signorelli (1504) an. “Das jüngste Gericht” und “Die Auferstehung der Toten” heißen die atemberaubenden Bilder. Die Auferstehung wird von zwei posauneblasenden Engeln mit wild flatternden Bändern angekündigt. Aus dem Erdboden sind schon zahlreiche nackte Frauen und Männer gestiegen. Andere, zum Teil noch als Gerippe, versuchen sich  aus der Erde herauszuwinden. Besonders beeindruckend ist die Darstellung der knackigen Körper, die in allen möglichen Stellungen und Anspannungen dargestellt werden. Die Verherrlichung der nackten Körper mit ihrer athletischen Kraft und inneren Erregung diente später Michelangelo als Vorbild für die Fresken in der Sixtinischen Kappelle. Wolfgang und Andreas werfen mit Feldstecher einen Blick ins gemalte Jenseits.

Wir spazieren durch die engen Gäßchen und entdecken malerische Winkel trotz des einsetzenden Regens. Draußen kommen gerade  Annekatrin mit Francesco und seinem Partner aus Ancona vorbei. Sie schlagen uns vor zum alten Borgo Pozzo zu gehen. Wir besichtigen den tiefen Brunnen, bei dem zwei Wendeltreppen gegenläufig angebracht wurden. Diese Wendeltreppen sind für die Esel gebaut worden, die nicht dazu gebracht werden konnten, sich im Brunnenschacht umzudrehen oder bei der Begegnung mit einem anderen Esel schlicht stehenblieben. So konnten die Esel von damals in aller Ruhe ihre Runden drehen und man ahnt schon, daß auch von den heutigen Rundläufern nicht jeder den Trick mitkriegt. Wir sind natürlich oberschlau und schicken Annekatrin vor und winken uns gegenseitig zu.

Danach geht die Fahrt zu einem gemeinsamen Abendessen in eine Trattoria in Cartiglione i.T. Wolfgang und Andreas schreiben Karten, die schon Dienstag in Göttingen eingetroffen sind!!! In der Trattoria ist gut für unser Wohl gesorgt. Die Ravioli mit Kanninchenragout sind gut und die gratinierten Nudeln auch sehr lecker. Zum Nachtisch wird ein Tirami su serviert, das sozusagen klassisch perfekt ist. Wie schön, wenn man mal das Original auf dem Teller hat. Die Löffelbiskuits wurden in Kaffee eingelegt und das Ganze war rechtzeitig vorbereitet worden. Da auch heute wieder irgend ein Geburtstag zu feiern war, standen pötzlich noch Spumante und Likörwein auf dem Tisch und ganz zum Schluß wurde ein Wacholderschnaps aufgetan, der es problemlos mit Ratzeputz aufnehmen könnte.

Beim Essen hatten wir uns mal mit anderen Italienern zusammengesetzt, ein Paar aus Brescia im Norden und Franco, der Guida Fluviale mit seiner Freundin aus Rom. Franco gehört zu 13 offiziellen Paddel-Lehrern, die in Italien aktiv sind. Er hat schon zahlreiche Schulungen mitgemacht und ist mit allen Wildwassern gewaschen. Er hat ein Video zusammengestellt, das er mir unbedingt zeigen will. Er arbeitet als Pfleger am Gemelli Krankenhaus in Rom, wo u.a. der Papst kuriert wird.

Die Italiener frühstücken mit einem Kaffee und einem kleinen Croissant in der nächstgelegen Bar. Ich schließe mich mit Annekatrin dieser geselligen Praxis an. Dabei kann man die ganze Bevölkerung Revue passieren lassen. Die Schüler sind da, die Angestellten auf dem Weg zur Arbeit. Neben uns zwei Polizisten, der eine mit dem Colt, der andere mit der Uzi am Halfter.

Die Deutschen versorgen sich zum Teil selbst, ganz wie daheim.

Es gibt bombastische Kriegerdenkmäler für den I. Weltkrieg in vielen Orten, aber nicht für den II. Was oder wen hätte man da auch noch feiern sollen?

29.4., Mittwoch

Alviano – Orte = 28 km
Es ist diesmal eine längere Strecke angesetzt worden: von Alviano bis Orte. Der Fluß hat sich in den idealen Wanderfluß verwandelt. Wir setzen unterhalb des 2. Stausees bei Alviano ein. Die Ufer sind bewaldet, die Orte liegen oben auf den Bergen. Da der Fluß jetzt breiter ist, ergeben sich schöne Ausblicke in die Landschaft.

Es kommt immer wieder zu kurzen Schauern. Obwohl die Autobahn fast parallel zu dieser Flußstrecke fließt, ist sie kaum wahrzunehmen. Unsere Mittagspause machen wir direkt bei der 3. Autobahnbrücke. Beim Bau der Straße wurden hier die Ruinen eines römischen Tiberhafens gefunden, ausgegraben und überdacht. Franco betätigt sich als Führer und erläutert die Warmwasser-Fußbodenheizung. Als ich ihm sage, daß ich das bei meinem Haus auch plane, gerät Robbi aus Frisco ganz aus dem Häuschen. Echte Ami Begeisterung. Kurz darauf muß ich mir anhören, wie sie in ihrem letzten Domizil in Mexiko den Lehmboden gestampft haben. Gut das es schon bald weitergeht! Nach wenigen Kilometern erscheint ein mayestätischer Ort hoch über uns an einer schroffen Felswand. Annekatrin kann ein Photo machen, die Sonne steht gut. Wenig später erkennen wir, daß wir bei Orte angekommen sind. Das Ufer ist vom Hochwasser glatt wie Eis, der alte neukommunistische Partigiano fällt lang hin.

Wir übernachten in der Turnhalle vom Neubaugebiet von Orte. Wir machen wieder einen schönen Spaziergang durch die Altstadt von Orte, die wiederum auf dem Berg gelegen ist. Vom Fluß haben wir eine alte Wasserzisterne gesehen. Vor der Schule üben die Kinder das Werfen ihrer Fahne und das Trommeln für den nächsten Palladio.

Heute wird im Vorraum der Turnhalle gemeinsam gekocht. Erstaunlich, was man für 7000 Lit. So aus dem Boden stampfen kann. Francesco, Marcello, Walter, Isa und wer immer helfen will sind am Vorbereiten der Spaghetti Carbonara für die ganze Gruppe beteiligt.

Unter der Woche sind wir ca. 43 Teilnehmer, davon 20 Deutsche, 2 Amerikaner und der Rest Italiener. Jeden Tag wurden etwa 14 Autos versetzt. Der Rücktransport wurde mit einem blauen römische Stadtbus durchgeführt. Klar, daß wir das neueste und elegantetse Modell zur Verfügung haben.

Das Abendessen endet so gegen 22.00 Uhr. Ein Teil der Gruppe fährt noch zu einer heißen Thermalquelle nach Viterbo. Andreas vertritt uns. Gebadet wir in dem ca. 35-40° C heißen Becken von ca. 23.00 bis 1.00 Uhr. Dazu gibt’s kalten Spumante im heißen Naß, Frankos Freundin hat Geburtstag.

30.4. Donnerstag

Ponte Felice – Ponzano Romano = 24 km
Heute soll von Ponte Felice  bei Magliano bis Ponzano Romano bei Nazzano gepaddelt werden. Der Einstieg ist bei einem Kieswerk ca. 5 km unterhalb eines Kraftwerks. Das Ufer ist leicht schlammig. Bis auf Andreas fahren wir alle beim Vorbringen der Autos mit. So bekommen wir auch mal etwas vom Hinterland zu sehen, denn der Stadtbus, mit dem wir zur Einsatzstelle zurückfahren, nimmt eine andere Straße als die Pkws beim Vorbringen. Während der Autofahrt ging ein starker Platzregen nieder. Mittagspause machen wir auf einer Kiesbank am Fluß. Sie fällt ziemlich kurz aus, denn es ist windig und kühl, aber trocken. Danach hebt der Regen wieder an und erreicht eine schon beachtliche Stärke. Die kräftigen Regentropfen peitschen das Wasser auf und es geht alles in einem sindflutartigen Szenario unter. Wir hauen rein um ans Ziel zu kommen. An einer der großen Flußbögen will uns ein Italiener etwas erklären, was wir aber erst später begreifen: Die Schleife ist an dieser Stelle so eng beieinander, daß man fast einen Stein vom Boot aus in den auf der anderen Seite entgegenkommenden Fluß werfen könnte.

Unser Ziel ist bei einem Restaurant, das halb Zoo, halb Pferdegestüt ist. Die Bauweise erinnert an Hundertwasser, da alle möglichen Trümmer beim Bau bewußt mit einbezogen wurden. Bei diesem Restaurant findet man auch viele antike Sammelstücke, von alten Nähmaschinen bis hin zu Dreschpflegeln und Pferdegeschirr. Es regnet immer noch sehr stark beim Ausstieg. Wir versinken im Tiberschlamm. Neben uns schnarcht im tiefen Schlamm ein zahmes, riesigengroßes Wildschwein. Bei den Autos wackelt ein Fohlen durch die Gruppe. Wir können uns im strömenden Regen unter der überdachten Terrasse umziehen und anschließend Kaffee trinken. Wir legen für pro Tasse Espresso 1000 Lire aufs Tablett. Im Hintergrund knistert behaglich das Kaminfeuer. Nach einem Tag mit viel Regen auf dem Fluß ein wohliges Gefühl.

Mit dem Autor geht es durch das Bergstädtchen Nazzano nach Torria Tiberina. Unterwegs haben wir Blick auf die Tiberschleife von oben. Die Landzunge zwischen der Schleife beträgt nur 25 m. Wir nehmen unser Quartier im Castello, BJ.1200. Die obligatorische Wäscheleine wird im alten Gemäuer gespannt. Es ist kalt in der alten Burg aber wir haben eine schöne Rundumsicht über das Tibertal. Es ist so feucht und kalt in der Burg, daß die Wäsche leider gar nicht trocknet. Aber das Ambente ist einfach unschlagbar, so daß wir über die alternativ angebotene Übernachtung in einem Kindergarten gar nicht erst nachdenken. Es hat aufgehört zu regnen und so machen wir einen Spaziergang durch das Bergstädtchen Torrita und durch die Altstadt, die innerhalb der Burgmauern liegt. Heute ist unser gemeinsames Abendessen im Zoo-Gestüt-Restaurant. Die Pferde sind angeblich halbwilde Toscanapferde, die dort ganzjährig frei im Gebirge herumlaufen.

Das Essen war wie immer sehr reichhaltig und reichlich – bis zum Abwinken. Hier werden einfach Platten durchgereicht und jeder nimmt sich so viel wie er möchte. Rot- und Weißwein stehen in großen Karaffen auf dem Tisch und werden des öfteren wieder aufgefüllt. Zuerst gibt es als Vorspeise salziges Pizzabrot mit tiefrotem, luftgetrocknetem Schinken, danach den obligatorischen Primo Piatto mit Nudeln. Irgend wer hat den Grill angeworfen und draufgepackt, was draußen kurz vorher so rumlief: Lamm, Schwein und würzige Bratwürstchen, die uns an unsere Regensburger erinnern. Dazu gibt’s Salat und Kartoffeln auf kantabrische Art, mit viel Rosmarin gebraten. Hier im Zoo-Restaurant folgt nach dem Kaffe noch ein Ferret-Branca, aber wer glaubt denn heute immer noch an Vampire? Diejenigen bestimmt, die das Zeug trinken. Sogar Andreas ist so richtig rundum satt geworden. Schließlich die obligatorische Sammlung: wir haben für 30.000 Lit. getafelt.

Wir hatten Nachts noch Spaß mit der Behindertentoilette: Wenn jemand dort am vermeintlich richtigen Bändchen zog, schrillte in unserem Raum die Alarmglocke. Letzlich kehrte aber doch Ruhe ein und wir haben im Schloß alle gut geschlafen.

1.5., Freitag, Tag der Arbeit

Ponte Giubileo – Rom Ponte Milvio = 12 km
Der morgentliche Blick von der Burg ins Tal ist zauberhaft. In der Nacht hat ein dichter See aus Nebeln das Tal bedeckt. Da die Orte auf den Bergkuppen liegen, hat es den Anschein, sie lägen auf Inseln im See. An anderer Stell taucht ein Tiberbogen urwaldartig aus dem Nebel auf. Die ganz Gegend ist noch sehr ursprünglich und als Naturpark unter Schutz gestellt.

Heute haben wir nur eine kurze Etappe vor uns: 12 Km von Castello Giubileo bis Roma. Castello Giubileo ist nahe Prima Porta aber nördlich vom Autobahnring. Wir beginnen die Fahrt direkt unterhalb eines Kraftwerkes. Der Tiber ist deutlich gestiegen und hat eine Siena-braune Farbe angenommen. Wir müssen in den Booten noch etwa eine halbe Stunde warten bis das italienische Fernsehteam (RAI – Radio Televisione Italiana) eintrifft. Während der Wartepause finden die Paddler aus Brescia im gegenüberliegenden Ufer ein Säckchen mit 3 jungen Katzen. Bald turnen die kleinen Biester über Boote, Paddel und verstecken sich in Schwimwesten. Da bei Elisabeth auch stets ein Hund mitfährt, können ja auch nun mal ein paar Katzen mitkommen.

Mit Francos Paddelknallen wird gestartet. Die meiste Zeit lassen wir uns bei flotter Strömung treiben, denn wir sollen erst um 14:00 Uhr beim Bootshaus/Vereinshaus der römischen Busfahrer eintreffen. Das Fernsehen möchte unsere Einfahrt in Rom filmen und auch der Empfang braucht seine Zeit. Wir sehen vom Wasser nicht viel von Rom. Einige Vorortsiedlungen liegen über uns in ausgedehnten Wäldern aus hohen römischen Pinien. Ein paar entgegenkommende Rennruderboote und auch Rennkajakfahrer begrüßen uns. Hinter einer marmornen Mussolini-Brücke taucht die alte Ponte Milvia auf. Constantin der Große aus Trier erlebte den Anblick mit etwas anderen Gefühlen bei der Schlacht an der Milvischen Brücke. Bei der alten Römerbrücke sind von den 3 Bögen noch 2 authentisch, was für die Qualität des römischen Betons spricht. Sie dient heute als Fußgängerbrücke. Viele Besucher der 1.Mai-Feier des Vereins winken uns von der Brücke aus zu. Zwei alte Römer sind mit Lanzen und Lederrüstung am höchsten Punkt der Brücke  positioniert. Sehr beeindruckend. Hinter den dicken Brückenpfeilern aus Römerzeit ergab sich ein gewaltiger Brückenschwall, der sicher ausgereicht hätte ganze Ausflugsdampfer rumzudrehen. Die Gorgos waren echt beeindruckend. Dabei wäre es fast noch zu einer Kenterung gekommen. Wolfgang treibt quer vor der Brücke, um das ultimative Bild zu schießen, so daß Andreas nicht vorbeikommt. Andreas verliert kurzzeitig sein Paddel, so daß er ein paar ganz ungute Sekunden durchlebt.

Wir schwingen uns ins Kehrwasser vor dem Vereinsgelände – und so sind wir nach 5 Etappen gut angekommen. Die Kapelle spielt den Hochzeitsmarsch aus Aida. Eine Abordnung der römischen Legion Claudia mit Standarte SPQR, komplett mit Helm, Brustpanzer, Sandalen, Beinschienen, Kurzschwert, Pilum (Lanze) und Dolch stehen am Ufer Spalier. Auch einige Römerinnen haben sich dazugesellt. Wir müssen unsere Boote an ihnen vorbeitragen und werden mit einem herzlichen “Salve!” begrüßt. So einen Empfang haben wir alle noch nicht erlebt.

Auf dem Vereinsgelände werden wir herzlich begrüßt und bewirtet. Auch hier stehen die Römer Spalier und eine Blaskapelle spielt. Es gibt Pasta und Wein, danach werden Schinkenbaguette ausgeteit. Passend zum Mai gibt’s als Spezialität Peccorino (ein pikanter Hartkäse aus Schafsmilch) und dazu frische Saubohnen. Wir sitzen etwas ratlos vor einer großen Kiste mit den grünen Schoten. Aber ein freundlicher Römer zeigte uns gern, wie man diese ißt: zuerst die Bohnenpelle entfernen, dann die Bohne aufbeißen und nur die Keimblätter herausholen. Zunächst werden diese gegessen (es erinnert an frische Erbsen – superb), dann den Käse dazu. Plötzlich merkt man, wie beides harmoniert. Naja, die arbeiten hier ja auch schon lange an der Perfektionierung solcher Menüs.

Zum letzten mal werden die Boote aufgeladen – unser Viererteam arbeitet immer schneller und zuverlässiger. Schließlich folgt noch die Verabschiedung von den vielen neuen Kameraden – und es beginnt wieder zu regnen. Wir beschließen, mit dem Auto eine Stadtrundfahrt durch Rom zu machen, bevor wir zum Campingplatz fahren. Durch den Feiertag ist nicht viel Verkehr in der Innenstadt und die Stadtbusse fahren ja eh nicht – die Fahrer sind alle beim Feiern im Verein und nüchtern ist unzwischen keiner mehr.

Durch die vielen Einbahnstraßen verlieren wir schnell die Hauptrichtung zum Forum Romanum und gelangen statt dessen zur Engelsburg und dem Vatikan. Auf einer Anhöhe bei einem imposanten Brunnen machen wir halt und blicken über die verregnete Innenstadt. Wir erkennen den Petersdom und sehen die unzähligen Kirchen und Dächer der Stadt. Beim zweiten Anlauf gelingt es: wir passieren die Trajanssäule, das Forum Romanum, den Triumphbogen, das Kolosseum. Auf dem Rückweg stoppen wir kurz am Augustustempel. Es geht gen Nord zum Campingplatz “Tiber” bei Prima Porta. Wir stellen die Zelte bei strömenden Regen auf, duschen und besuchen anschließend wir das Restaurant im Campingplatz. Zum letzten mal essen wir richtig italienisch auf dieser Reise. Es regnet die ganze Nacht weiter.

2.5.98, Sonnabend
Nachdem wir die Zelte naß abgebaut haben, gehen wir frühstücken. Pünktlich, vor 9.00 Uhr starten wir unsere Rückreise. Wir sehen auf der Fahrt, daß der Tiber stark gestiegen ist. Schon kurz nach dem Start hat es aufgehört zu regnen. Wiederum ist die Überfahrt über den San Bernadino-Paß sehr imposant. Es hat frisch geschneit und wir können uns im alten Skiort am Gipfel eine kleine Scheeballschlacht gönnen und zum Gipfelphoto mit einem Schneemann posieren. Im zügigen Tempo von 130 km/h erreichen wir Lichtenstein. Wir übernachten in der Jugendherberge Schaan-Vaduz. Unser letztes gemeinsames Abendessen findet in einer Gastwirtschaft am Rande des Dorffestes statt.

3.5., Sonntag

Unsere letzte Etappe beginnen wir um 8.30 Uhr. Über Bregenz auf der Bundesstraße am Bodenseeufer entlang geht es nach Lindau. Wir essen Mittag im fränkischen Burgbern. Leider kommen wir bei Kirchheim doch noch in einen Stau. Um 17.30 Uhr erreichen wir nach insgesamt 3.298 km das Bootshaus.

Eine abendliche Kanufahrt am Seginaw

Alexis de Tocqueville, Tocqueville au Bas-Canada. (Pdf S. 43/44), Sommer 1831:

Asenen_klein
Asenen, Schweden

Als der Abend gekommen war stiegen wir wieder ins Kanu. Wir vertrauten auf die am Morgen erworbene Geschicklichkeit im Umgang mit dem Boot um allein einen Seitenarm des Saginaw hinauf zu paddeln, den wir vorher nur eingesehen hatten. Der Himmel war klar und wolkenlos, kein Lüftchen regte sich. Der Fluss schob seine Wassermassen durch einen dichten Wald, war dabei aber so langsam, dass es beinahe unmöglich war, zu sagen in welcher Richtung die Strömung ging.

Nach meinem Empfinden muss man, um sich eine angemessene Vorstellung von den Wäldern der Neuen Welt zu machen, einem der Flussläufe folgen, die in ihrem Schatten dahinströmen. Die Flüsse sind hier wie Gleise. Die Vorhersehung hat großen Wert darauf gelegt, diese in die Wildnis zu legen um sie so den Menschen zugänglich zu machen. Wenn man sich durch den Wald einen Weg bahnt, ist der Blick meistens stark begrenzt. Darüber hinaus ist der Weg, auf dem man dann geht, Menschenwerk. Die Flüsse sind im Gegensatz dazu Wege, auf denen man keine Spuren hinterlässt. Ihre Ufer lassen alles erkennen, was eine üppige und sich selbst überlassene Natur an großartigen und wunderbaren Eindrücken zu bieten hat. Die Wildnis lag zweifellos so vor uns, wie sie sich schon dem Anblick unserer Urahnen vor 6000 Jahren dargeboten hat: eine blühende Abgeschiedenheit, köstlich und mit Duft erfüllt, eine herrliche Behausung, ein lebender Palast, für Menschen erbaut, bis zu dem aber der Herrscher noch nicht vorgedrungen war. Das Kanu glitt leicht und geräuschlos dahin. Um uns herum herrschte eine unfassbare Ruhe und majestätische Stille. Wir waren völlig ergriffen und gebannt vom Anblick eines solchen Schauspiels. Unsere Dialoge wurden zunehmend spärlicher. Bald schon tauschten wir unsere Gedanken nur noch flüsternd aus. Schließlich verstummten wir gänzlich, zogen im Gleichklang unsere Paddel durchs Wasser und verfielen dabei beide in eine gelassenen Traumzustand von unaussprechlichem Zauber.

Wie ist zu erklären, dass die menschlichen Sprachen, die Begriffe für alle Arten von Schmerzen gefunden haben, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen, wenn es darum geht den zartesten und natürlichsten Empfindungen unseres Herzens Ausdruck zu verleihen? Wer vermag jemals verlässlich jene seltenen Augenblicke im Leben auszumalen in denen das eigene Wohlbefinden uns den Weg bereitet zur spirituellen Gelassenheit und wo sich vor unseren Augen ein vollkommenes, universales Gleichgewicht einstellt während der Geist, halb träumend, sich auf dem schmalen Grat zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen Realem und Möglichem bewegt. Umgeben von einer wunderbaren Natur atmen wir, mit uns selbst im Reinen und inmitten eines universellen Friedens, eine sanfte und feuchte Luft. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf das gleichmäßige Klopfen in unseren Arterien, von denen jeder einzelne Pulsschlag das Vergehen der Zeit markiert, die uns Schlag um Schlag in die Ewigkeit zu entschwinden scheint. Zahlreiche Menschen haben im Laufe eines langen Lebens vielleicht eine Vielzahl an Jahren vorüberziehen sehen ohne auch nur ein einziges Mal etwas vergleichbares zu empfinden, wie wir es gerade zu beschreiben versuchten. Diese können uns nicht verstehen. Aber es gibt doch einige, davon sind wir überzeugt, in deren Gedächtnis und im Grund deren Herzens etwas anklingt, das sich zu unseren Bildern zusammenfügt und bei denen eine Erinnerung an diese wenigen flüchtigen Stunden erwacht, die weder die Zeit noch die Geschäftigkeit des Alltags auszulöschen vermögen.

Deutsche Übertragung: Robert Seidemann