Brief an die Kusine 2, Über die Indianerin

Lettrer à la cousine, Madame La Comtesse De Grancey

New York, 10 octobre 1831, Voyages I, p. 179., pdf.p. 77 ff. 2. Teil, Die Indianerin

In Bezug auf die Indianerin kann ich nichts weltbewegend Neues erzählen, man muss halt Atala lesen, bevor man nach Amerika kommt. Möchte eine Frau hier als vollkommen gelten, so muss ihre Haut schokoladenbraun sein. Sie muss kleine Augen haben, die denen einer Wildkatze ähneln und einen Mund der von einem Ohr zum anderen zu reichen scheint mit breiten, schmalen Lippen. Soviel zur Natur. Aber die Kunst hilft auch hier nach. Eine Indianerin mag nicht wissen, was Koketterie ist, aber ich kann Dir versichern, dass es ihr nicht im Geringsten daran fehlt. Sie legt kein Rouge auf, wie man es in Europa kennt, aber sie malt sich blaue, schwarze und weiße Linien auf die Wangen, was mit Sicherheit viel schwieriger ist. Letztlich sind es die von der Mode eingeschlagenen Pfade. Ich habe hier sogar, ganz wie in Frankreich, große Genies mit innovativen Ideen erlebt. Ich erinnere mich, einer jungen Indianerin begegnet zu sein, deren Gesicht schwarz bemalt war bis zur Höhe der Augen und rot in der darüber liegenden Hälfte. Ich denke, das war kein besonders gelungener Versuch. Du weißt ja, wie groß auch immer der Einfluss sein mag, den gewisse Menschen auf die Mode ausüben, es gelingt ihnen doch nicht immer, Nachahmer für die Eigentümlichkeiten zu gewinnen, die sie sich ausgedacht haben. Was beim Outfit viel geläufiger ist, man kann sagen geradezu klassisch, ist ein Nasenpiercing mit einem großen Ring. Ich finde das abscheulich. Trotzdem muss ich Dich höflichst bitten mir zu erklären, was denn nun natürlicher sein soll: sich die Ohren oder die Nase zu durchstechen? Es gibt noch einen letzten Punkt, in dem sich die Schönheiten vom Lake Superior von den unsrigen unterscheiden. Du weißt genau, welche Qualen man den Füßen mit modischem Schuhwerk antut, wenn man mal ausgeht. Du wirst es kaum glauben, aber die Indianerinnen haben die blöde Angewohnheit, sich genau der gleichen Tortur zu unterziehen! Um es mal klar zu sagen: diese Wilden sind bedauernswert. Wie dem auch sei, ich hatte die Gelegenheit ein Paar von diesen schuhartigen Dingern zu erwerben, die sie bei wichtigen Ereignissen tragen und die sich Mokassins nennen. Wenn diese Gegenstände Deine Aufmerksamkeit auch nur im Geringsten zu erregen vermögen wird es mir ein Vergnügen sein, sie Dir zu schenken. Es passen, wenn meine Erinnerung nicht trügt, in jeden dieser Mokassins problemlos zwei Füße von Deiner Größe. Es liegt mir auch absolut fern, sie Dir zum Laufen zu empfehlen.

Übertragung in zeitgemäßes Deutsch: Robert Seidemann

Eine abendliche Kanufahrt am Seginaw

Alexis de Tocqueville, Tocqueville au Bas-Canada. (Pdf S. 43/44), Sommer 1831:

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Asenen, Schweden

Als der Abend gekommen war stiegen wir wieder ins Kanu. Wir vertrauten auf die am Morgen erworbene Geschicklichkeit im Umgang mit dem Boot um allein einen Seitenarm des Saginaw hinauf zu paddeln, den wir vorher nur eingesehen hatten. Der Himmel war klar und wolkenlos, kein Lüftchen regte sich. Der Fluss schob seine Wassermassen durch einen dichten Wald, war dabei aber so langsam, dass es beinahe unmöglich war, zu sagen in welcher Richtung die Strömung ging.

Nach meinem Empfinden muss man, um sich eine angemessene Vorstellung von den Wäldern der Neuen Welt zu machen, einem der Flussläufe folgen, die in ihrem Schatten dahinströmen. Die Flüsse sind hier wie Gleise. Die Vorhersehung hat großen Wert darauf gelegt, diese in die Wildnis zu legen um sie so den Menschen zugänglich zu machen. Wenn man sich durch den Wald einen Weg bahnt, ist der Blick meistens stark begrenzt. Darüber hinaus ist der Weg, auf dem man dann geht, Menschenwerk. Die Flüsse sind im Gegensatz dazu Wege, auf denen man keine Spuren hinterlässt. Ihre Ufer lassen alles erkennen, was eine üppige und sich selbst überlassene Natur an großartigen und wunderbaren Eindrücken zu bieten hat. Die Wildnis lag zweifellos so vor uns, wie sie sich schon dem Anblick unserer Urahnen vor 6000 Jahren dargeboten hat: eine blühende Abgeschiedenheit, köstlich und mit Duft erfüllt, eine herrliche Behausung, ein lebender Palast, für Menschen erbaut, bis zu dem aber der Herrscher noch nicht vorgedrungen war. Das Kanu glitt leicht und geräuschlos dahin. Um uns herum herrschte eine unfassbare Ruhe und majestätische Stille. Wir waren völlig ergriffen und gebannt vom Anblick eines solchen Schauspiels. Unsere Dialoge wurden zunehmend spärlicher. Bald schon tauschten wir unsere Gedanken nur noch flüsternd aus. Schließlich verstummten wir gänzlich, zogen im Gleichklang unsere Paddel durchs Wasser und verfielen dabei beide in eine gelassenen Traumzustand von unaussprechlichem Zauber.

Wie ist zu erklären, dass die menschlichen Sprachen, die Begriffe für alle Arten von Schmerzen gefunden haben, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen, wenn es darum geht den zartesten und natürlichsten Empfindungen unseres Herzens Ausdruck zu verleihen? Wer vermag jemals verlässlich jene seltenen Augenblicke im Leben auszumalen in denen das eigene Wohlbefinden uns den Weg bereitet zur spirituellen Gelassenheit und wo sich vor unseren Augen ein vollkommenes, universales Gleichgewicht einstellt während der Geist, halb träumend, sich auf dem schmalen Grat zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen Realem und Möglichem bewegt. Umgeben von einer wunderbaren Natur atmen wir, mit uns selbst im Reinen und inmitten eines universellen Friedens, eine sanfte und feuchte Luft. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf das gleichmäßige Klopfen in unseren Arterien, von denen jeder einzelne Pulsschlag das Vergehen der Zeit markiert, die uns Schlag um Schlag in die Ewigkeit zu entschwinden scheint. Zahlreiche Menschen haben im Laufe eines langen Lebens vielleicht eine Vielzahl an Jahren vorüberziehen sehen ohne auch nur ein einziges Mal etwas vergleichbares zu empfinden, wie wir es gerade zu beschreiben versuchten. Diese können uns nicht verstehen. Aber es gibt doch einige, davon sind wir überzeugt, in deren Gedächtnis und im Grund deren Herzens etwas anklingt, das sich zu unseren Bildern zusammenfügt und bei denen eine Erinnerung an diese wenigen flüchtigen Stunden erwacht, die weder die Zeit noch die Geschäftigkeit des Alltags auszulöschen vermögen.

Deutsche Übertragung: Robert Seidemann

Une escapade tardive sur la Saginaw

Alexis de Tocqueville, Au Bas-Canada. (Pdf S. 43/44) en été 1831:

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Schären bei Karlskrona, Schweden

« Le soir étant venu nous remontâmes dans le canot et, nous fiant à l’expérience que nous avions acquise le matin, nous partîmes seuls pour remonter un bras de la Saginaw que nous n’avions fait qu’entrevoir. Le ciel était sans nuages, l’atmosphère pure et immobile. Le fleuve roulait ses eaux à travers une immense forêt, mais si lentement qu’il eût été presque impossible de dire de quel côté allait le courant. Nous avons toujours éprouvé que, pour se faire une idée juste des forêts du Nouveau Monde, il fallait suivre quelques-unes des rivières qui circulent sous leurs ombrages. Les fleuves sont comme de grandes voies par lesquelles la Providence a pris soin, dès le commencement du monde, de percer le désert pour le rendre accessible à l’homme. Lorsqu’on se fraye un passage à travers le bois, la vue est le plus souvent fort bornée. D’ailleurs le sentier même où vous marchez est une œuvre humaine. Les fleuves au contraire sont des chemins qui ne gardent point de traces, et leurs rives laissent voir librement tout ce qu’une végétation vigoureuse et abandonnée à elle-même peut offrir de grands et de curieux spectacles. Le désert était là tel qu’il s’offrit sans doute il y a six mille ans aux regards de nos premiers pères; une solitude fleurie, délicieuse, embaumée; magnifique demeure, palais vivant, bâti pour l’homme, mais où le maître n’avait pas encore pénétré. Le canot glissait sans efforts et sans bruit; il régnait autour de nous une sérénité, une quiétude universelles. Nous-mêmes, nous ne tardâmes pas à nous sentir comme amollis à la vue d’un pareil spectacle. Nos paroles commencèrent à devenir de plus en plus rares; bientôt nous n’exprimâmes nos pensées qu’à voix basse. Nous nous tûmes enfin, et relevant simultanément les avirons, nous tombâmes l’un et l’autre dans une tranquille rêverie pleine d’inexprimables charmes.

D’où vient que les langues humaines qui trouvent des mots pour toutes les douleurs, rencontrent un invincible obstacle à faire comprendre les plus douces et les plus naturelles émotions du cœur ? Qui peindra jamais avec fidélité ces moments si rares dans la vie où le bien-être physique vous prépare à la tranquillité morale et où il s’établit devant vos yeux comme un équilibre parfait dans l’univers, alors que l’âme, à moitié endormie, se balance entre le présent et l’avenir, entre le réel et le possible, quand, entouré d’une belle nature, respirant un air tranquille et tiède, en paix avec lui-même au milieu d’une paix universelle, l’homme prête l’oreille aux battements égaux de ses artères dont chaque pulsation marque le passage du temps qui pour lui semble ainsi s’écouler goutte à goutte dans l’éternité. Beaucoup d’hommes peut-être ont vu s’accumuler les années d’une longue existence sans éprouver une seule fois rien de semblable à ce que nous venons de décrire. Ceux-là ne sauraient nous comprendre. Mais il en est plusieurs, nous en sommes assurés, qui trouveront dans leur mémoire et au fond de leur cœur de quoi colorer nos images et sentiront se réveiller en nous lisant le souvenir de quelques heures fugitives que le temps ni les soins positifs de la vie n’ont pu effacer. »

Aufgefrischt

Basierend auf Molières Misantrophe und in unsere Zeit übertragen. Der Misantroph ist vielleicht gar kein Feind der Menschen. Die von Molière beschriebenen Charaktere leben unter uns. Immer. Unschlagbar gut ist die auf dem Misantrophe aufbauende Dichtung von Hans-Magnus Enzensberger.

PHILINTE

Du kannst die Menschen gar nicht leiden.

ALCESTE

Am liebsten möchte ich sie ganz vermeiden

PHILINTE

Und nimmst Du niemand aus von Deinem Haß?

Du solltest doch bedenken, dass…

ALCESTE

Ach hör mir auf! Ich dreh die Hand nicht um.

Bei uns herrscht doch das reinste Gangstertum

Statt sich zu sagen: Nein das geht zu weit!

ist man zu jeder Kungelei bereit.

dein bester Freund versetzt dich irgendwann

Und biedert sich bei dem Gesindel an

Komplizen seid ihr! Ekel! Borstentiere!

Nimm nur das Schwein mit dem ich prozessiere.

Es gibt an diesem Kerl nichts zu durchschauen

Ein jeder weiß: dem Mann ist nicht zu trauen.

Sein blauer Blick, sein dümmliches Gehüstel

täuscht nicht einmal den Pikkolo im Bristol

Sowas frißt Dreck, kommt hoch durch Korruption

Und hat auf einmal eine Position

Der Mann geht selbstverständlich über Leichen,

um einen satten Abschluß zu erreichen;

doch laut sagt keiner, daß er ein Faschist,

ein Lumpenhund und Mafiioso ist

Man findet das im Gegenteil noch schick,

man lädt ihn ein, man schreckt vor nichts zurück.

Und eines Tages sitzt er im Senat.

Mit solchen Typen macht man bei uns – Staat.

Je mehr du stiehlst, je höher steigt dein Wert.

Mich macht das alles krank. Mir kehrts

Den Magen um. Am leibesten möchte ich fliehen

aus diesem Kaff und in die Wüste ziehen

Alceste und Philinte im Dialog

Alceste en bicyclette : un film sympathique et post moderne sur une pièce de théâtre de Molière m’a rappelé que je possède la version original des classiques Larrousse et une traducion de Hans-Magnus Enzensberger. Le misanthrope est une pièce étonnant. Les personnes principales non point changé depuis 1650, ce qui est la grande surprise.

PHILINTE

Vous voulez un grand mal à la nature humaine !

ALCESTE

Oui ! J’ai conçu pour elle, une effroyable haine.

PHILINTE

Tous les pauvres mortels, sans nulle exception,

Seront enveloppés dans cette aversion ?

Encore, en est-il bien, dans le siècle où nous sommes…

ALCESTE

Non, elle est générale, et je hais tous les hommes :

Les uns, parce qu’ils sont méchants, et malfaisants ;

Et les autres, pour être aux méchants, complaisants,

Et n’avoir pas, pour eux, ces haines vigoureuses

Que doit donner le vice aux âmes vertueuses

De cette complaisance, on voit l’injuste excès,

Pour le franc scélérat avec qui j’ai procès ;

Au travers de son masque, on voit à plein le traître,

Partout, il est connu pour tout ce qu’il peut être ;

Et ses roulements d’yeux, et son ton radouci,

N’imposent qu’à des gens qui ne sont point d’ici.

On sait que ce pied plat, digne qu’on le confonde,

Par de sales emplois, s’est poussé dans le monde :

Et, que, par eux, son sort, de splendeur revêtu,

Fait gronder le mérite, et rougir la vertu.

Quelques titres honteux qu’en tous lieux on lui donne,

Son misérable honneur ne voit, pour lui, personne

Nommez-le fourbe, infâme, et scélérat maudit,

Tout le monde en convient, et nul n’y contredit.

Cependant, sa grimace est, partout, bienvenue,

On l’accueille, on lui rit ; partout, il s’insinue ;

Et s’il est, par la brigue, un rang à disputer,

Sur le plus honnête homme, on le voit l’emporter.

Têtebleu, ce me sont de mortelles blessures,

De voir qu’avec le vice on garde des mesures ;

Et, parfois, il me prend des mouvements soudains,

De fuir, dans un désert, l’approche des humains.