Brel à part – Französische Chansons von der Renaissance bis Brel

Franzoesische Chansons von der Renaissance bis Brel und Barbara meisterlich vorgetragen von Maja Hilke.

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Es gab im Vorlesungsangebot der Westfälischen Wilhelms Universität zu Münster eine Vorlesung, die mein Interesse geweckt hatte und zu der ich gern hin geradelt bin: „Lieder und Texte in den Liedern der Trobadoure von der Zeit der provenzalischen Trobadoure bis Francois Villon“ (so oder so ähnlich). Deshalb hatte mich der NC Computer da nicht hingeschickt, aber es konnte keinen größeren Kontrast zum pragmatischen Teil meiner Studien geben: Hier der kleine Kreis der Romanisten, die ihre Vorlesungen im alten Schloss am See abhielten, dort der Massenbetrieb in der Vorlesungshalle, die eine inhumane Kreuzung aus ICE Bahnhof und Markthalle ist.

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Mobile – Stabile

Überlegungen zu den Kunstwerken von Calders und ein Besuch im Calders-Saal im Sprengelmuseum Hannover

Prof. Dr. Jörg Dünne aus Erfurt bezog sich bei seinem Vortrag im Rahmen des Forums Junge Romanistik am 15.3.17 auf die Kunstwerke von Calders. Die Werke Calders sind filigrane Mobiles aus lackierten Metallscheiben, die man in einem Raum z.B. vor dem Fenster aufhängt damit sie dort von der Luft bewegt ihre Kreise drehen. Durch ihre Aufhängung können die einzelnen Teile des Mobiles eine Vielzahl von Positionen einnehmen, aber stets nur im wohldefinierten Abstand, der durch die Drähte der Konstruktion vorgegeben ist.

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Foto Robert Seidemann, Sprengelmuseum, Hannover

Dünne macht dazu eine bemerkenswerte Aussage: „Stabilität wird kulturtechnisch hergestellt“. Sie ist wie die Harmonie in der Musik oder der Bildaufbau des Gemäldes ein künstlerischer Akt. Sartre betrachtet die Mobiles seines Zeitgenossen und Nachbarn im Vergleich zur Plastik und der Malerei: « La sculpture suggère le mouvement, la peinture suggère la profondeur ou la lumière. Calder ne suggère rien : il attrape de vrais mouvements vivants et les façonne. Ses mobiles ne signifient rien, ne renvoient à rien qu’à eux-mêmes : ils sont, voilà tout ; ce sont des absolus. » J.P. Sartre « Les mobiles de Calder », en situations III, 1946.

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Foto Robert Seidemann, Sprengelmuseum Hannover

Andere seiner Kunstwerke sind große Metallkonstruktionen, die frei im öffentlichen Raum stehen. Auch Sie sind sie filigran, durchsichtig und erwecken den Anschein, sie könnten beim nächste Wind entschwinden oder einfach abheben. Sie setzten sich aus Stahlplatten zusammen, die sich gegenseitig stützen und nur so zum Stabile werden und nicht umstürzen.

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Foto Robert Seidemann, Maschseeufer, Hannover

Julieta alias Juliet

Nachdem die Aufführung während des europäischen Filmfestes im November bis auf den letzten Platz ausverkauft war, kamen nur drei Monate später deutlich weniger Zuschauer in unser Programmkino. Ich hatte die Wartezeit nach dem vergeblichen ersten Anlauf bis zur sich erwartungsgemäß kurzfristig ergebenden second chance genutzt und an Weihnachten den Erzählband „Tricks“ von Alice Munro ausgeliehen, in den Tagen vor dem Kinobesuch die Geschichte „Entscheidung“ angefangen und just am Vorabend der Filmaufführung beendet. Es ergab sich der verblüffende Effekt, dass ich den Film wie ein déjà vu erlebt habe. Gleich zu Beginn trifft Julieta ganz zufällig ihre alte Freundin Heather (bei Munro), die ihrerseits ganz zufällig in der entfernten Schweiz (bei Aldomóvar) Julietas seit so vielen Jahren mit unbekanntem Ziel und ohne Angabe näherer Gründe entschwunden Tochter getroffen hat. Damit ging just am Vorabend die Erzählung zu Ende und ich bin mitten drin im bunten Geschehen, das nun in der Rückblende abläuft. Die Personen haben im Film andere Namen, aus dem Fischer Eric ist der galizische Xoan (x=sch) geworden und so geht es fort. Aus dem nachts im Schnee auftauchenden Wolf (bei Munro) wird ein beeindruckender Hirsch, der in seinem brünftigen Galopp die Natur als Paralellwelt zum menschlichen Treiben noch besser verdeutlicht. Er kann uns nicht sehen, erklärt Juliet, er hat die Witterung eines Weibchens aufgenommen. Parallel dazu nimmt Xoan ihre Witterung auf mit durchaus vergleichbarem Ergebnis.

Kann das auf die Dauer gutgehen? Die meisten Literaturverfilmungen sind mir ein Greul, alles was den Text besonders und das Lesererlebnis einzigartig macht, fällt einem Bilderrausch zum Opfer und die Charaktere sind mit den stets gleichen Schauspielern aus dem heiligen Wald besetzt. Hier aber ist es ein wunderbares Spiel mit Orten und Personen, alles bleibt authentisch, man erlebt z.B. die Galizier mitsamt dem Regen und einem brutal heranrauschenden Atlantik. Dabei kommen wie so oft bei Aldomóvar die Frauen besonders groß raus. Da die Geschichte im Rückblick abläuft, teilen sich Emma Suarez und Adriana Ugarte die Lebenszeit von Juliet alias Julieta. Das ist gut gelungen und bis in die Details von Familienfotos umgesetzt, wo die ältere Julieta im heimischen Regal das Foto der jungen Frau mit Ihrem Fischermann stehen hat. Frisör Berbel hat am Set gute Arbeit geleistet. Der blaue Pullover bei Julietas Bahnfahrt kontrastiert die eindrucksvoll struppig blonde Frisur und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck von Schönheit. Pedro hat meiner Meinung nach die Geschichte in einigen Punkten eher noch vertieft, lässt bei Julieta die Zweifel, Schuldgefühle und Hoffnungen sehr offensichtlich werden. „Deseo“ heißt die Produktionsfirma der Gebrüder Aldomóvar, deren Lettern den Film einleiten und was das Leitmotiv ihres Schaffens ist. Bei diesem Hoffen und Sehnen bleibt es bis zur letzten Minute und so endet auch die Erzählung: „Sie hofft weiter auf ein Wort von Penelope, aber nicht sehnlich oder gar inständig. Sie hofft wie Menschen, die wider besseres Wissen hoffen, auf einen unverdienten Glücksfall, auf spontanen Straferlass, auf derlei Dinge.“

Comme un avion

Ein Film von Denis Podalydès

Es war einer der letzten Filme freitagabends beim Europäischen Filmfest im November 2015 in Göttingen. Ein französischer Film, bei dem auch noch ein Faltboot eine wesentliche Rolle zukommt: das sind für mich gleich zwei gewichtige Gründe ins Kino zu gehen. Also schnell ins Lumière und last Minute nach Frankreich.

Nach wenigen Einstellungen ist man im Leben des Hauptdarstellers angekommen: vor dem Computer (3 D Animation mit Musik von J.S. Bach) sitzt und arbeitet Michel, ein Motoroller bewegt ihn durchs moderne Leben. Seine Frau ist adrett, seine Freunde nett und ein Hobby hat er auch: er träumt von den Postfliegern vergangener Tage, als das Fliegen noch Abenteuer war und es etwas zu entdecken gab. Zu dem Thema kann man was sammeln und es eignet sich für immer weitere konvenable Geburtstaggeschenke. Dann kommt ganz unvermutet etwas unvorhergesehenes und Unkonventionelles zu und über ihn. Während er mit seiner lieben Rachelle wie Millionen andere Paare abends in Richtung Bildschirm blickt, klickt er sich im Internet auf seinem Pad von einer Seite zur Nächsten, bis es dann passiert ist: er hat ein Kajak bestellt, ein waschfestes Faltboot. Bald wird es mit DHL oder UPS geliefert und er geht über seine Terrasse mit dem Faltbootgestell um sich herum wie ein Buschpilot vorm ersten Start. Er kommt sich vor wie ein Flugzeug. Dann bringt ihn seine Frau zu einer Einstiegsstelle am Fluss, es zieht ihn zum Meer hin. Sie verabschieden sich, er begib sich in die Welt der Natur und sie kehrt zurück in die Welt der Kultur. Ein ätherisches Band verbindet sie, das Handy ist (noch) gleichermaßen im Boot und im Auto dabei.

Nun beginnt der zweite Teil des Films und es ist der eindeutig schönere. Er gleitet aus eigener Kraft und durch die unglaublich schöne Natur einer sommerlichen Kleinflusslandschaft, erlebt die Welt (wieder) mit allen Sinnen. Ich würde ihn bei einem Treffen zunächst nach dem Namen dieses schönen Flusses fragen. Bald geht es auch an Land und da sind natürlich gleich einsame Jungfrauen und junggebliebene Witwen zu trösten und mit allen Mitteln der Liebeskunst flachzulegen. Wenn dann der jungverliebte Michel im alten Volvo langsam durch die sommerliche Provinz rollt und dabei  „temps de vivre“ von Moustaki gespielt wird: da ertappe ich mich doch tatsächlich dabei, wie ich im Kino plötzlich mitsinge. Ganz so ähnlich habe ich Frankreich Gottseidank schon mal selber erlebt. Irgendwann merkt er, dass seine Frau ja die angebliche Tour ans Meer per Geotracking verfolgen kann, während er ganz andere Dinge im Kopf und vor Augen hat: das Elektroding ist zur Fußfessel geworden und wird sofort abgeschaltet, erst jetzt ist alles aber ganz wie früher.

Das geniale an diesem Film ist, dass er stets auch einen subtil ironischen Unterton hat, Gesellschaftskritik auf hohem Niveau betreibt und dabei ohne erhobenen Zeigefinger auskommt. So ist auch das komödienhafte nicht stereotyp und einfältig. Er zeigt ganz alltägliche Menschen im Spagat zwischen einer immer mehr ausufernd technologisierten, entfremdeten Umgebung einerseits und ihren persönlichen und natürlichen Wünschen und Sehnsüchten andererseits.

Man erkennt das unterschwellige Unwohlsein Michels bei seiner Arbeit und auch bei der Geburtstagsfeier mit Freunden: erst die kleine Flucht aufs Wasser zeigt ihm den Weg zu einem Leben im Einklang mit der Natur und zu sich selbst. Diese verschiedenen Sichtweisen der Welt prallen hier frontal aufeinander und ergeben komische Momente. Die Pointe dazu ist der als Paddler mit allem nur vorstellbaren Material ausgerüstete Michel zu Beginn seiner Reise ans Meer: Zum Glück passen die meisten Produkte, welche die Marktwirtschaft für diesen Zweck produziert hat, gar erst nicht mit ins Boot. Nur seine Ukulele darf und muss mit. An anderer Stelle blödelt Michel nebenbei mit seinen Kollegen über Palindrome und da ist Kajak ein geniales Beispiel.

Natürlich ist es ein Boot von Nautraid und wie es in dieser kleinen Welt so geht, trifft auch noch mein Paddelkamerad Wolfgang den Besitzer des Faltboottexemplars aus dem Film auf der Messe „Boot“ in Düsseldorf.  Es gehört dem Deutschlandimporteur der Firma. Denis Podalydès ist auf jeden Fall ein Name, den man sich merken muss, denn er macht bemerkenswerte, intelligente und zeitkritische Filme.

Erwähnenswert ist auch die am 21.Mai 2016 in der FAZ erschienene Filmkritik: Meines Ruders Hüter. Der Film „Nur Fliegen ist schöner“ hebt prima ab, von Bert Rebhandel. Er hat eben diese Kunst des Regisseurs, weit und hintersinnig auszuholen, gut dargestellt ausgeführt. Mir gefällt gleich zu Beginn die Darstellung des Paddlers als Metapher für das Menschsein ganz allgemein, als archimedisches Gleichnis. Dem Odysseus gleich begleitet er sich zur Ukulele und schließlich der Hinweis, dass ein Palindrom in sich selbst zurückführt, was auch große Expeditionen auszeichnet. Dass er dabei paddeln und rudern nicht auseinanderhalten kann, ist nicht weiter verwunderlich, ist das doch gang und gäbe. Inzwischen kann man als Paddler schon T-Shirts mit dem Aufdruck „sag nie wieder rudern zu mir“ kaufen.

 

Arride Zone mit zartem Grün

Mitten in Göttingen gibt es eine kleine Wüstenei. Aber es zeigen sich erste Pflanzen. Am Ende der Wüste gibt es Hoffnung auf einen kleinen Garten.

 

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El jardín
Zanjones
sierras ásperas
médanos
sitiados por jadeantes singladuras
y por las leguas de temporal y de arena
que desde el fondo del desierto se agolpan.
En un declive está el jardín.
Cada arbolito es una selva de hojas.
Lo asedian vanamente
los estériles cerros doloridos
que apresuran la noche con su sombra
y el triste mar de inútiles verdores.
Todo el jardín es una luz apacible
que ilumina la tarde.
El jardincito es como un día de fiesta
en la eternidad de la tierra.

Garten
Trockene Flußbette,
dürre Bergketten
Sanddünen
entlang keuchender Tagesreisen
und Meilen von Sturm und Sand,
die aus der Tiefe der Wüste anstürmen
Auf einem Hang liegt der Garten.
Jedes Bäumchen ist ein Wald von Blättern.
Vergeblich belagern ihn
die unfruchtbaren Hügel
und das traurige Meer des nutzlosen Grüns.
Der ganze Garten ist ein friedliches Licht,
das den Abend erleuchtet,
und ein Akkord,
zwischen der wirren Musik der Landschaft.
Der kleine Garten ist ein Festtag
in der Ewigkeit der Erde.

J.L.Borgés

Yacimientos del Chubut, 1922 De: Fervor de Buenos Aires

Deutsch von Curt Meyer-Clason

Il Giardino Armonico con Sol Gabetta

Ein musikalisches Spitzentreffen im Rahmen der Thüringer Bachwochen 2016

Thüringer Bachwochen 2016, Do. 7.4.2016, Weimarhalle in Weimar

Sol Gabetta — Violoncello
Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini — Blockflöte und Leitung

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Ein Programmheft in der Stadtbücherei war der Auslöser für diesen Ausflug nach Weimar: von den im Rahmen der Thüringer Bachwoche angekündigten Konzerte war eines sozusagen unwiderstehlich und hatte für mich durchaus das Zeug zum Musikerlebnis des Jahres. Im Winter hatten wir die Aufnahmen mit Sol Gabetta aus ihrem Vivaldi Projekt gehört und die umtriebige Frau war ja auch auf sympathische Weise als musikalischer Scout mehrmals im Fernsehen zu erleben. Der harmonische Garten braucht keine Einführung, der Name ist Inbegriff erlebbarer und lebendiger Barockmusik in seiner schönsten Form auf historischen Instrumenten und in authentischer Aufführungsart. Die Erwartungen waren also hoch als wir uns auf den Weg durch den Europapark zur Weimarhalle machen. Zunächst beeindruckt die Architektur: der beidseitige Eingangsbereich, die gläserne Offenheit zum Park, die Durchblicke zur Innenstadt. Die Halle selbst ist zwar schlicht kubisch wie eine Turnhalle, aber durch die Verwendung hölzerner Stäbe gleicht sich die Anmutung der Wandflächen dem Aussehen der Streichinstrumente an. Auch die Akustik der Halle ist gut: man hört die Instrumente auch auf den hinteren Plätzen klar und ohne jeden Halleffekt.

Der Giardino Amonico eröffnet das Konzert zunächst allein: was bei diesen Musikern sofort besticht, ist sind die unglaubliche Präzision und das Timing ihres Spiels. Es ist dieser Eindruck, wie ich ihn schon auf Jazz-Konzerten erlebt habe: Die Musik steht so monolithisch im Raum, dass man meinen könnte, es gäbe überhaupt nur ein Instrument, dass alles spielt. Diese Einheit im Klang haben wir sicher ganz wesentlich dem Dirigenten Giovanni Antonini zu verdanken, der mit viel Körpereinsatz die Gruppe leitet. Zu den bekannten Brandenburgischen Konzerten gesellt sich Sol Gabetta der Gruppe hinzu. Es ist schon etwas Besonderes, nicht nur ihr temperamentvolles Spiel zu hören wie auf den CD’s zu Hause, sondern ihr beim Musizieren zuschauen zu können. Beim 4. Brandenburgischen Konzert, das ánders als angekündigt gleich nach der Pause gespielt wurde, schlüpft dann Antonini im Grunde genommen zusätzlich zur Dirigentenrolle in die Rolle des Flötisten. Jetzt spielen zwei Ausnahmesolisten in und mit einem harmonisch abgestimmten Barockorchester. Wenn Antonini sich richtig ins Zeug legt, hat man fast schon den Eindruck vom tanzenden Derwisch, dabei ist sein Spiel ohne abwegige Schnörkel einfach aus jahrzehntelanger Übung perfektioniert. Zum Schluss verneigt sich Antonini gemeinsam mit Sol Gabetta vor dem begeisterten Publikum: wir haben alle ein großartiges Konzert erlebt und nach den standing ovations der Zuschauer gibt es schließlich auch noch eine Zugabe.

Carl Philipp Emanuel Bach

Violoncellokonzert A-Dur Wq 172

Wilhelm Friedemann Bach

Sinfonia F-Dur, F 67

Johann Sebastian Bach

Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048

Brandenburgisches Konzert Nr. 4 G-Dur BWV 1049

Georg Friedrich Händel

Concerto grosso F-Dur op.6 Nr.2

Georg Philipp Telemann

Konzert für Flöte und Viola da gamba a-Moll TWV 52:a1

Vorgeschichte der Kritik der reinen Vernunft

Das mittelalterliche Weltbild glich einer Kathedrale. Sie war eingestürzt und ihre Trümmer sind bei Kant gelandet. Er hat sie sehr genau betrachtet, einige davonn aussortiert und andere neu wieder zusammengesetzt.

Die Frage nach dem Warum und des Zeitpunktes der KdV führt zurück ins Mittelalter.

Copyright 2015 Robert Seidemann
„Das mittelalterliche Gebäude der Metaphysik hatte drei Stockwerke und einen »Dachstock« oder Turm. Es baute auf dem auf was die Alten „Sensus“ – unsere sinnliche Wahrnehmung nannten. Über dem „Parterre“ oder Fundament der empirisch erfahrbaren sinnlichen Wirklichkeit erhob sich für den mittelalterlichen Philosophen der menschliche Verstand, die „Ratio“, welcher aufgrund seiner begrifflich-logischen Struktur aus den einzelnen sinnlichen Wahrnehmungen eine begreifbare Wirklichkeit macht. Auf der nächsthöheren Stufe sahen die Alten die menschliche Vernunft oder den „Intellectus“, welcher als integrales Ideenvermögen Einblick in die großen Ideen hat, nach denen die ganze Schöpfung hervorgebracht wurde und regiert wird. Hier begegneten die mittelalterlichen Seher in einer Art „übersinnlichem Empirismus“, wie Schelling sich ausdrückt, den reinen Intelligenzen oder Engelchören, der Geisterwelt also, welche demiurgisch am göttlichen Schöpfungsplan beteiligt ist. Das Dach des Gebäudes bildete Gott, der höchste Schöpfer und eigentliche Grund für alles Dasein vom Sensus bis zu den Intelligenzen. Dieser Dom der Erkenntnis geriet durch den mittelalterlichen Universalienstreit und die Skepsis der sogenannten „Nominalisten“ ins Wanken: Je selbstbewußter der Mensch nach der Wirklichkeit der Ideen und dem Sein Gottes fragte und sie anzuzweifeln wagte, je unwirklicher wurde das Reich des Übersinnlichen, bis das Schauen der Intelligenzen und die mystische Erfahrung Gottes — ganz deutlich und einschneidend dann im 19. und im 20. Jahrhundert — nur mehr als Spekulation angesehen und für eine spezielle „subjektive Befindlichkeit“ der menschlichen Psyche gehalten wurde. Die Grundlagen für diese Entwicklung waren bereits an der Schwelle zur Neuzeit gelegt; da drohte das mittelalterliche Erkenntnis-Gebäude einzustürzen. Nach der nominalistischen Skepsis bedurfte es nur mehr der sogenannten »cartesianischen Wende«, daß es nämlich das menschliche Denken sei, welches an die Spitze des Gebäudes gestellt werden müsse, weil es zwar alles anzweifeln kann, nicht aber sich selbst, den Zweifelnden, um das wankende Gebäude endgültig zum Einsturz zu bringen.“ (Michael Frensch, Hrsg. Lust an der Erkenntnis: Esoterik von der Antike bis zur Gegenwart, Piper 1991, S.279 f.)

Bei diesem Gedankengebäude ist alles über dem Kirchenschiff Metaphysik. Dort tut der Engel Schaar seinen Dienst, wohlgeordnet in hierarchischer Struktur unter der Leitung von Erzengel, Cherubim und Seraphim. Die Aussagen über diese metaphysischen Sphären hatten sehr rationale Formen angenommen. Da auch Naturforscher wie Swedenborg und selbst Newton esoterischen bzw. alchimistischen Strömungen folgten, drängte sich eine Frage grundsätzlicher Art auf: „Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?“ (KdV, Einleitung Ausgabe 2001, S.111.) Zur Beantwortung dieser Frage nahm Kant alles in Betracht, was vor ihm an brauchbaren Gedanken entwickelt worden war. Dazu gehörte in großem Umfang das Gedankengut der Empiristen, die das Fundament des „Sensus“ weitergedacht hatten. Von John Locke (1632— 1704) übernimmt er denn auch ganz direkt „Das Ding an sich“ und David Hume (1711— 1776) erwähnt er schon in der Einleitung. Dabei ist er der Ansicht, der Empirismus wäre durchaus zu weitreichenderen Aussagen fähig. Den Bereich der Ratio hatten Voltaire und Descartes in Frankreich und Leibnitz in Deutschland weiterentwickelt. Sowohl Descartes als auch Leibnitz hatten Urteile über die Existenz Gottes formuliert. Sie klingen einleuchtend und schlüssig. Kommt ein solches Urteil dann auch noch von einer den größten wissenschaftlichen Kapazitäten der Zeit, erlangt es eine große Bedeutung. Sind das aber Gründe für seine Richtigkeit? Um diese Fragen zu beantworten, musste die KdV auf einem soliden und sozusagen erdbebenfesten Fundament stehen. Das erreicht Kant durch klar definierte Begriffe, die man auch nach 200 Jahren noch eindeutig bestimmen kann. Und er beginnt quasi bei den elementarsten Grundlagen des Denkens: wie gestaltet sich das Zusammenwirken der Anschauung des Dings ans sich und seine Zuordnung zum Begriff? Nach diesen Überlegungen stellt sich in der transzendentalen Analytik heraus, dass der Verstand die Welt der Erscheinungen aus sich heraus im Wechselspiel mit den Anschauungen erschafft. Daraus folgt, dass wissenschaftliche Aussagen nur Gültigkeit im Rahmen der Grenzen des Verstands haben, also nur im Rahmen von Raum, Zeit und Anschauung. Da die Metaphysik den darüberhinausgehenden Bereich, sozusagen Dachstuhl und Turm der Kirche, umfasst, können darüber keine wissenschaftlichen Aussagen getroffen werden. Sowohl Descartes als auch Leibnitz liegen mit ihren Gottesbeweisen daneben. Ganz vorbei war es für die Theologie als Leitwissenschaft. Sie hatte 1781 ihre Leuchtturmfunktion endgültig verloren.

LACHRIMÆ, OR SEAVEN TEARES

Alte Musik im Parthenonsaal. Das Konzert LACHRIMÆ, OR SEAVEN TEARES mit Dowlands Pavanen und frühbarocken Sonaten.

In der Reihe SAITENWECHSEL,  Musik im Parthenonsaal, fand am  31.1.2016 das Konzert LACHRIMÆ, OR SEAVEN TEARES mit Dowlands Pavanen und Frühbarocke Sonaten satt. Den geschichtsträchtigen Rahmen bildete die Sammlung der Gipsabgüsse im Archäologischen Institut der Georgia Augusta Universität. Die Musiker waren Angela Hug, Joachim Arndt, Stepan Möhle, Elke Hardegen-Düker: Blockflöten, Laura Frey: Viola da Gamba und Andreas Düker, Laute/Barockgitarre.

Copyright 2015 Robert Seidemann

Bei diesem Konzert kontrasierte die meine Gefühle so unmittelbar ansprechende Polyphonie des Engländers mit den so verspielten Melodien aus dem Italien jener Zeit. All zu sehr kann die Traurigkeit trotz des Themas da nicht mehr dominieren. Besonders beeindruckt war ich neben dem Lautenspiel von Andreas Düker von der Gambistin Laura Frey, von der ich gern mehr hören möchte. Aber auch die Flöten waren virtuos, zumal sie bei den frühbarocken Stücken im Vordergrund stehen.

Copyright 2015 Robert Seidemann

Das Programm des Konzertes

John Dowland (1563 – 1626)

Lachrimae or seven tears

in einer Fassung mit vier Blockflöten, Viola da Gamba & Laute

 

Pavan I – (Die alten Tränen)

Dario Castello (vor – 1658): Sonata Terza (a due)

Pavan Il . Lachrimae Antiquae Novæ (Die neuen alten Tränen)

Bartolomeo de Selma (um 1580 – Fantasia (basso solo)

 

Pavan III Lacrimae Gementes (Die seufzenden Tränen)

Dario Castello, Sonata Duodecima (a tre)

Pavan IV Lacrimae Tristes (Die traurigen Tränen)

Alessandro (15GG • 1638): Toccata XII – Cromatica

 

Pavan V – Coactae (Die gezwungenen Tränen)

Angelo Berardi (um 1636 – 1694): Canzona Sesta (solo)

 

Pavan VI Lacrimae Amantis (Die Freundestränen)

Tarquinio Merula (1595 – 1665) La Trecha (a due)

 

Pavan VII Lacrimae Verae- (Die wahren Tränen)

Während Dowlands Sammlung aus dem Jahre 1604 den Höhepunkt elisabethanischer Melancholie und die Kunst der Polyphonie zelebriert entsteht in Italien zur gleichen Zeit eine Neue Musik, una „Nuove Musiche“ die Monodie, der kunstvoll begleitete Sologesang, affektreich ausgestaltete Melodien, die sich – reich verziert – aus dem polyphonen Korsett befreien und das neue Zeitalter einleiten..

Die Sonaten und Canzonen von Berardi, Fontana, Castello, Merula und Piccinini stehen hier stellvertretend für das neue Barockzeitalter. (aus dem Programmheft)

Kant. Kritik der reinen Vernunft in Kurzform

Von den Urteilen des Verstands zu den Schlüssen der Vernunft

Immanuel Kant präsentiert ein 2 stufiges Modell der Informationsaufnahme- und Verarbeitung im Gehirn eines vernünftigen Wesens, des
Ich
Das Ich ist unbedingt: Summe seiner Erfahrungen – Identität als Einheit seiner Vorstellungen

Als Einheit der Aperzeption ist das Selbstbewußtsein Bedingung

  • der Subjektivität (Ich als Intelligenz und denkend Subjekt)
  • der Objektivität (Erkenne mich selbst als gedachtes Objekt)

Daraus ergibt sich die Janusgesichtigkeit des Menschen als

  • Erscheinung:      Naturwesen → Kausalität
  • Ding an sich:      als Idee → Freiheit
  1. Transzendentale Analytik. Verstand

Mit allen Sinnen nehmen wir die Objekte wahr. Zuordnung nach einem Schema zu Begriffen durch

  • Transzedentale Ästhetik: f(x,y,z;t)
  • Transzedentale Analytik: Anschauung-Kategorien (a priori) Begriffe, Urteile + Spontanität!

Dabei fällen wir Urteile als

  • Analytisches Urteil „Tautologisch“ ¬f (x,y,z;t) A priori
  • Synthetisches Urteil, erweitert den Verstand um Neues aus Sinnlichkeit f (x,y,z;t) A posteriori

Wissenschaft ist im Rahmen von Objekten möglich, die in Raum und Zeit existieren und über die nach Begriffen geurteilt bzw. entschieden (disputiert) werden kann. Demnach kann es keine Wissenschaft der Metaphysik geben. A priori ist lediglich teilweise die Arbeitsweise des Verstandes. Der Mensch gibt sich damit nicht zufrieden, will mehr erkennen:

  1. Transzendentale Dialektik Vernunft

Vernunft Zieht Schlüsse aus Urteilen + Begriffen (s.o.) Strebt nach dem Absoluten dem Unbedingten

Löst die Kategorien von der Anschauung und wendet sie ins Absolute: den Ideen

I) Unsterblichkeit II) Kosmos III) Gott

Sie müssen gedacht werden, können aber nicht bewiesen werden. Bei der logischen Begründung der Ideale ergeben sich Widersprüche: die Antinomien.
die 3. Antinomie ist der Zielpunkt der K.d.V.

3 Antinomie: Kausalität – Freiheit

  • Ich als Erscheinung: unterliegt der Kausalität
  • Ich als Ding an sich: Freiheit

Das Ich entwickelt nicht bedingte Ideen (aus Freiheit), die unbedingte Ursache von Wirkungen sind (die ihrerseits der Kausalität unterliegen). Die Wirkung ist beweisbar, die Freiheit nicht. These und Antithese sind beide gültig.

Als One Note Skizze: Kant Kritik der reinen Vernunft Kurzform

Begriffe zur Kritik der reinen Vernunft: Begriffe zu Kritik der reinen Vernunft

 

Gibt es eine Erkenntnis des Übersinnlichen?

Leibniz und Kant über die Grenzen des Wissens.

Leibniz und Kant über die Grenzen des Wissens. Prof. Bernd Ludwig, Wintervortrag 2015/16. Zitate

1 So, wie z. B. der Geist bei der Idee eines Dreiecks es als notwendig darin enthalten erkennt, dass seine drei Winkel gleich zwei rechten sind und deshalb überzeugt ist, dass ein Dreieck drei Winkel hat, die gleich zwei rechten sind, so muss er lediglich daraus, dass er einsieht, dass in der Idee eines höchst vollkommenen Wesens das notwendige und Dasein enthalten ist, folgern, dass das höchst vollkommene Wesen existiert. (Descartes, Principia 1,14)

2 Man hätte jedoch ohne Vermittlung des Begriffs von Vollkommenheit oder Größe die Beweisführung schärfer und angemessener wie folgt fassen können: Das notwendige Wesen — als das Wesen, dessen Essenz seine Existenz besagt oder das Wesen an sich – existiert, wie das schon aus den Worten erhellt. Nun ist Gott — gemäß seiner Definition — ein solches Wesen, also existiert Gott. Dieses Argument ist schlüssig, sofern nur zugegeben wird, dass das vollkommenste oder größte Wesen möglich ist und keinen Widerspruch einschließt (essepossibile, nec implicare cvntradictionem). Oder, was dasselbe besagt, dass eine Essenz möglich ist, aus der die Existenz folgt. Solange aber diese Möglichkeit nicht bewiesen ist, darf man auch die Existenz Gottes durch ein derartiges Argument nicht für vollkommen bewiesen erachten. (Und konziliant fügt Leibniz hinzu:) Immerhin lernen wir aus der obigen Beweisführung das ausgezeichnete Vorrecht der göttlichen Natur (divinae naturae Privilegium) kennen, dass sie, sofern sie nur möglich ist (si modo sitpossibilis), auch ohne weiteres existiert (eo ipso existat), was bei den übrigen Gegenständen zum Beweis ihres Daseins (ad existentiamprobando) nicht ausreicht. (Leibniz, ed. Gerhard IV,359)

,Möglichkeitserkenntnis‘ beruht nach Leibniz entweder (1) direkt auf Erfahrung oder auf einer von 3 Formen der Realdefinition: (2) Realdefinition vermittels Konstruktion (mathematische Gegenstände) (3) Realdefinition vermittels unmittelbarer Verursachung durch seinerseits bereits als möglich Erwiesenes (Erfahrungsgegenstände) (4) Realdefinition vermittels vollständiger Zerlegung des Begriffs (Gegenstände von Ideen)

3 Man sieht aus dem bisherigen leicht: daß ein reiner Vernunftbegriff, d. i. eine bloße Idee, sei, deren objective Realität dadurch, daß die Vernunft ihrer bedarf, noch lange nicht bewiesen ist, welche auch nur auf eine gewisse, obzwar unerreichbare Vollständigkeit Anweisung giebt und eigentlich mehr dazu dient, den Verstand zu begrenzen, als ihn auf neue Gegenstände zu erweitern. (Kant KrVA 592, Herv. B. L.) (Ausgabe zweitausendeins: S.385)

4 Der Begriff ist allemal möglich, wenn er sich nicht widerspricht.(…) Allein er kann nichts desto weniger ein leerer Begriff sein, wenn die objektive Realität der Synthesis, dadurch der Begriff erzeugt wird, nicht besonders dargethan welches aber jederzeit, wie oben gezeigt worden, auf Principien möglicher Erfahrung und nicht auf dem Grundsatze der Analysis (dem Satze des Widerspruchs) beruht. Das ist eine Warnung, von der Möglichkeit der Begriffe (logische) nicht sofort auf die Möglichkeit der Dinge (reale) zu schließen. (A 596 Fn;)

5 Der Begriff eines höchsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr nützliche Idee; sie ist aber eben darum, weil sie bloß Idee ist, ganz unfähig, um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntniß in Ansehung dessen, was existirt, zu erweitern. Sie vermag nicht einmal so viel, daß sie uns in Ansehung der Möglichkeit eines Mehreren belehrte. Das analytische Merkmal der Möglichkeit, das darin besteht, daß bloße Positionen keinen Widerspruch erzeugen, kann ihm (sc. dem Begriff eines höchsten Wesens, B. L.) zwar nicht gestritten werden; da aber die Verknüpfung aller realen Eigenschaften (!) in einem Dinge (!) eine Synthesis ist, über deren Möglichkeit wir a priori nicht urtheilen können, weil uns die Realitäten specifisch nicht gegeben sind, und, wenn dieses auch geschähe, überall gar kein Urtheil darin stattfindet, weil das Merkmal der Möglichkeit synthetischer Erkenntnisse immer nur in der Erfahrung gesucht werden muß, zu welcher aber der Gegenstand einer Idee nicht gehören kann: so hat der berühmte Leibniz bei weitem das nicht geleistet, wessen er sich schmeichelte, nämlich eines so erhabenen idealischen Wesens Möglichkeit a priori einsehen zu wollen. (A 603) (Ausgabe zweitausendeins: S.389)

6 Notwendigkeit (ist) nichts als jene Existenz, die durch die Möglichkeit selbst gegeben ist. (B 111)

7 Diese Freiheit des Willens vorauszusetzen, ist (a) auch nicht allein (ohne in Widerspruch mit dem Princip der Naturnothwendigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen der Sinnenwelt zu gerathen) ganz wohl möglich (wie die speculative Philosophie zeigen kann), sondern (b) auch sie praktisch, d.i. in der Idee, allen seinen willkürlichen Handlungen als Bedingung unterzulegen, ist einem vernünftigen Wesen, das sich seiner Causalität durch Vernunft, mithin eines Willens (der von Begierden unterschieden ist) bewußt ist, ohne weitere Bedingung nothwendig. (Grundlegung 4:461)

8 Als ein vernünftiges, mithin zur intelligibelen Welt gehöriges Wesen kann der Mensch die Causalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken; denn Unabhängigkeit von den bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt (dergleichen die Vernunft jederzeit sich selbst beilegen muß) ist Freiheit. (4:452)

9 Daher ist es eine unnachlaßliche Aufgabe der speculativen Philosophie: wenigstens zu zeigen, daß ihre (der dogmatischen Philosophie) Täuschung wegen des Widerspruchs darin beruhe, daß wir den Menschen in einem anderen Sinne und Verhältnisse denken, wenn wir ihn frei nennen, als wenn wir ihn als Stück der Natur dieser ihren Gesetzen für unterworfen halten. (4:456)

10 Antinomie: Es ist eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung (der Erscheinungen der Welt insgesamt) anzunehmen notwendig (A 444) (und) Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur (A 445) (Ausgabe zweitausendeins: S.316)

11 Daß diese Antinomie auf einem bloßen Scheine beruhe, und daß Natur der Causalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige was wir leisten konnten, und woran es uns auch einzig und allein gelegen war. (A 558, Hel-v. B. L.) (Ausgabe zweitausendeins: S.369)

12 Wo aber Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es bleibt nichts übrig als Vertheidigung, d. i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben und darum die Freiheit dreust für unmöglich erklären. (4:459)

13 Nun behaupte ich: daß wir jedem vernünftigen Wesen, das einen Willen hat, notwendig auch die Idee der Freiheit leihen müssen, unter der es allein handle. (…) der Wille desselben kann nur unter der Idee der Freiheit ein eigener Wille sein und muß also in praktischer Absicht allen vernünftigen Wesen beigelegt werden. (4:448; Herv. B. L.)

14 (Es) giebt die Vernunft nicht demjenigen Grunde, der empirisch gegeben ist, nach und folgt nicht der Ordnung der Dinge, so wie sie sich in der Erscheinung darstellen; sondern macht sich mit völliger Spontaneität eine eigene Ordnung nach Ideen, in die sie die empirischen Bedingungen hinein paßt, und nach denen sie sogar Handlungen für nothwendig erklärt ( ! ) die doch nicht geschehen sind und vielleicht nicht geschehen werden, von allen aber gleichwohl voraussetzt ( ! ), daß die Vemunft in Beziehung auf sie Causalität haben könne ( ! ); denn ohne das sie nicht von ihren Ideen Wirkungen in der Erfahrung erwarten. (A 548, Herv. B. L.)

5 Daher wir, was Freiheit sei, in praktischer Beziehung (…) gar wohl verstehen, in theoretischer Absicht aber, was die Causalität derselben (gleichsam ihre Natur) betrifft, ohne Widerspruch nicht einmal daran denken können, sie verstehen zu wollen. (06:144; Herv. B. L.)

16 Nun ist nicht das Mindeste, was uns hindert, diese Ideen auch als objectiv und hypostatisch anzunehmen, außer allein die kosmologische, wo die Vernunft auf eine Antinomie stößt, wenn sie solche zu Stande bringen will (die psychologische und theologische enthalten dergleichen gar nicht). Denn ein Widerspruch ist in ihnen nicht; wie sollte uns daher jemand ihre objective Realität streiten können, da er von ihrer Möglichkeit eben so wenig weiß, um sie zu verneinen, als wir, um sie zu bejahen! (A 673)